Re: Sprachstörung - verbale Entwicklungsdyspraxie
Verfasst: 23. April 2012, 23:18
Hallo Bea
Danke für deine mail, die Info wär sonst wirklich nicht angekommen.
Hallo Claudine
Schön von Dir zu hören. Es ist ziemlich genau 4 Jahre her, dass wir Info's ausgetauscht haben. Es freut mich riesig dass Shannon so Fortschritte gemacht hat und ich mag es Euch von Herzen gönnen. Tja bei uns ist die Situation ziemlich nüchtern. Er ist jetzt 11Jahre alt, ist immer noch in der Heilpädagogischen Schule, jetzt in der 3. Klasse für Körperbehinderung. Er ist kontinuierlich am Artikulieren, in seiner Sprache, ahmt die Geräusche der realen Welt nach, eine Katze ist immer noch "Miau". Der Wortschatz ist sehr klein. Manchmal sagt er einen Satz bestehend aus max. 5 Wörtern, worin aber Bindewörter vollständig fehlen. Die Worte sind schwer verständlich. Man braucht Übung, Fremde haben fast keine Change. Er kennt inzwischen alle Buchstaben, tut sich aber schwer mit Lesen. Addition / Subtraktion im Zahlenraum bis 20. Er fühlt sich wohl in der Schule und ist gut integriert. Er hat eine tolle Lehrerin, die ein auf ihn abgestimmtes Pensum fährt.
Letzten Herbst hat sich bei ihm Diabetes manifestiert, was uns ziemlich auf Trab gehalten hat und ihm und uns eine neue Hürde auferlegt hat. Inzwischen haben wir das auch im Griff, aber Lesen und Rechnen wird nun nicht nur "nice to have" sein, es ist lebensnotwendig. Eine falsche Berechnung des Insulins kann lebensgefährlich sein. Ob er diese Fähigkeit je erlangen wird, weiss ich nicht. Ich mach mir darüber auch noch keine Gedanken. Das schauen wir dann an wenn er soweit ist. Anmerkung: Ich will dieses Thema hier auch nicht diskutieren, es soll einfach nur seine und unsere Situation zeigen.
Hallo Andrea
Ich habe hier 2007 diesen Thread eröffnet weil ich Fragen hatte und Antworten erhoffte. Wie auch Du dachte ich, es müsse andere Betroffene geben. Es gibt Sie, aber ich habe die erhofften Antworten nicht erhalten. Ich sehe das inzwischen so. Am Anfang der Diagnose stehen 1000 Fragen im Raum. Irgendwann stellt man fest, dass man alles getan hat was man konnte, alle wichtigen Informationen gesammelt hat und dass die "neuen" Informationen nur noch Wiederholungen sind und immer mehr vom Kern der Situation abdriften. Am Anfang ist die Lernkurve sehr steil und flacht dann ab. Wenn man sich im flachen Teil der Lernkurve befindet, dann wird die Situation zum Alltag, man lebt damit, es gehört zum Leben, ist Bestandteil der Familie, Bestandteil unseres Lebens, 24h, 365Tage Jahr um Jahr. Es ist unsere Normalität und man arrangiert sich damit und macht das Beste daraus. Irgendwann muss man einfach in die Zukunft schauen und die Situation wieder selbst in die Hand nehmen. Deshalb denke ich läuft in den Foren nicht viel. Ich habe mir einzig vorgenommen jedes Jahr mal hier reinzuschauen und einen Update zu schreiben. Für alle Die, die wie ich Fragen hatten.
Deine Beschreibung ähnelt sehr der Situation und der Diagnose die wir damals hatten. Da Du die Diagnose hast, bist Du schon mal an den richtigen Logopäden geraten und das ist sehr viel wert, denn Da bist Du in den richtigen Händen. Ich nehme an Du hast unsere Geschichte gelesen, dann kennst Du chronologisch den Verlauf der Entwicklung bis jetzt und die Fragen die ich hatte.
Als ich hier Deine Geschichte gelesen habe, habe ich mich versucht zurückzuversetzen in unsere Situation als wir es erfahren haben und habe mir überlegt was gibt es Sinnvolles zu sagen. Was wäre für mich hilfreich gewesen.
Da wieder ein Jahr vorbei ist, nehme ich diese Gelegenheit als update war und schreibe mal über meine persönlichen "Lessons Learned" mit einer kurzen Begründung. Ich denke manche sind ernüchternd aber ich bin nun mal der Meinung eine Situation zu verschönern bringt nichts, die Realität holt einen ein. Ich persönlich weiss lieber von Anfang an woran in bin.
Man findet im Netz viele Tips und Ideen und immer gibt es jemanden der mit einer Methode Erfolg gehabt hat, jemanden der bei einem Spezialisten gewesen ist, diejenigen die ihre Therapie oder ein therapeutisches Produkt teuer verkaufen und und und... Für klassische Sprachprobleme gibt es therapeutische Ansätze die funktionieren. Bei einer verbalen Entwicklungsdyspraxie zeigen diese Ansätze wenig bis keine Wirkung. Der beste Ansatz ist der, den man auch bei Schlaganfallpatienten anwendet. Sie wird auch Drill Therapie genannt, ist aber wenig verbreitet. Ich habe festgestellt dass die Logopäden diesen Begriff negativ assoziieren. Drill bedeutet einfach x mal das gleiche wiederholen bis es sitzt. Ich habe des Öfteren festgestellt dass Logopäden die mit verbaler Entwicklungstherapie keine Erfahrung hatten, gar nicht auf diesen Hinweis eingingen und mir erklären wollten dass "Drill" der falsche Ansatz ist, weil sie damit fälschlicherweise strenge erzieherische Methoden assoziiert haben und dann nach 1/2 Jahr den gleichen Ansatz ohne Namen hervorgebracht hatten.
Ja die Behinderung ist selten. Ich glaube mal gelesen zu haben dass 0.2% der Kinder an einer verbalen Entwicklungsdyspraxie leiden, wobei es keine Differenzierung des Schweregrades gibt. Es wird vermutet dass die Behinderung genetischen Ursprungs ist, wir haben inzwischen in unserer Verwandtschaft einen Jungen der auch an einer Sprachstörung leidet, das würde diesen Ansatz erhärten. Es gibt praktisch keine Studien, hier und da eine Dissertation, keine mir bekannten Langzeituntersuchungen. Der Entwicklungsverlauf wird auch nicht verfolgt und keiner Metrik unterworfen wie es z.B. bei einem Geburtsgebrechen gemacht wird. Ich vermute die leichteren Fälle werden erwachsen und integrieren sich in die Gesellschaft, bei den Härtefällen ist ein mögliches Szenario ein begleitetes Wohnen, oder (wir werden es herausfinden...). Aber da es wenige sind, werden sie nicht speziell erfasst. Beide Fälle entziehen sich irgendwann der Fürsorge der Eltern und haben selbst höchstwahrscheinlich kein Interesse oder keine Fähigkeit/Möglichkeit, Erfahrungen über ihre eigene Entwicklung abzugeben.
Sprechen ist für uns ein ganz normales alltägliches Etwas. In unserem Gehirn muss dafür aber extrem viel komplexe Arbeit geleistet werden. Es beginnt beim Wunsch etwas zu kommunizieren. Dafür müssen Begriffe in einer Sprache gefunden werden. Die Begriffe setzen sich aus sogenannten Phonemen zusammen die das Gehirn in die richtige Reihenfolge bringen muss damit daraus ein Wort entsteht. Die Worte wiederum müssen in die richtige Reihenfolge gebracht werden damit daraus ein Satz entsteht der unser Gegenüber versteht. Zur Umsetzung muss wiederum die Mundmotorik vorhanden sein die es ermöglicht die Phoneme in Schallwellen umzusetzen. Dieser Prozess setzt ein gewisses Abstraktionsvermögen voraus das diesen Kindern fehlt. Im Gehirn ist alles absolut klar vorhanden, aber ihnen fehlt die Möglichkeit es zu artikulieren. Diese Kinder haben keine Probleme sich reale Dinge vorzustellen, abstrakte Dinge machen ihnen aber grosse Probleme.
Eine verbale Entwicklungsdyspraxie geht auch immer mit einer Lernschwäche einher, ist eigentlich auch erklärbar wenn man weiss dass das Abstraktionsvermögen fehlt. Es ist nicht nur eine Entwicklungsverzögerung, d.h. eine Erwartungshaltung dass der Entwicklungsschub dann doch noch kommt, so wie ich sie hatte, ist falsch. Es wird immer ein Defizit bleiben. Nur weiss man nicht wie gross das Defizit ist. Ich denke das hängt vom Schweregrad ab.
Wer nicht sprechen kann, hat auch Mühe Lesen und Schreiben zu lernen. Vor allem Schreiben ist ein Problem, denn die Aneinanderreihung der Phoneme und Worte zu einem sinnvollem Ganzen (dem Satz) ist nicht vorhanden. (Aussage unserer Logopädin, wir sehen das aber schon bestätigt)
Da es sich um wenig Fälle handelt, die Ursache noch nicht identifiziert wurde, und es aktuell keine Therapie gibt die greift, haben die Logopäden/innen (im Folgenden nur noch die männliche Form) natürlich auch einen schweren Stand. In der Anfangsphase wechseln die Logopäden spätestens alle 2 Jahre, hier bei uns auf jeden Fall. Vorschullogo, Kindergarten logo, ev. Spezialist, Schullogo. Sobald der Logopäde merkt, dass sein Ansatz nicht wirkt, verweist er Dich an einen Spezialisten zur Abklärung (er will ja keinen Fehler machen) dieser hat dann eine weitere Idee und schickt Dich zu einer weiteren Abklärung. Das geht so weiter, dann wechselt das Kind die Schule und ein neuer Logopäde / Lehrer hat die Hauptverantwortung. Das Spiel fängt von vorne an. Je älter das Kind wird, desto langsamer geht dieser Zyklus vonstatten, da es länger beim gleichen Lehrer/Logopäde bleibt und Ruhe kehrt zu Hause ein.
Dazu kommen dann noch die vielen Tipps von Bekannten die sich Sorgen machen und gehört haben dass..., ebenso die Information aus dem Netz. Wichtig zur Qualifikation der Informationen aus dem Netz ist, dass man im Netz hauptsächlich von Erfolgen liest, die Ausgangsbedingungen aber meistens anders sind. Von den Ansätzen die keinen Erfolg bringen liest man nichts.
Als Eltern will man natürlich nichts unversucht lassen und das ist auch richtig so. Für mich ist wichtig die Balance zu halten zwischen therapeutischem Erfolg
und familiärer Belastung. D.h. die Belastung durch Therapien, Abklärungen, Anreisezeiten in einem Mass zu halten, dass noch Zeit zum Spielen und Zeit zum Kind sein bleibt.
Wichtig ist einen guten Logopäden und eine Schule zu finden in der das Kind gefördert wird und nicht einfach nur mitgezogen oder sogar ausgegrenzt wird.
So, das war jetzt eine ganze Menge, zum Glück hat es heute geregnet und ich hatte Zeit zum Tippen. Ich weiss nicht ob Dir das was bringt. Ich kann Dir nur ganz nüchtern den Stand der Dinge aus meiner Sicht sagen. Ich kenne kein Rezept und mir keine bekannte Therapie die wirklich Besserung bringt. Sorry für die nüchternen Fakten.
Ich wünsche Euch allen alles Gute.
PS: Antworten können lange gehen. Spätestens kommt nächstes Jahr wieder ein Update.
Liebe Grüsse
Koni
Anmerkung von Bea für alle, die mit inok Kontakt aufnehmen möchten- leider ist die im Forum angegebene Mailadresse nicht mehr gültig, PN's können darum nicht weitergeleitet werden - /überprüft am 02.01.2021
Danke für deine mail, die Info wär sonst wirklich nicht angekommen.
Hallo Claudine
Schön von Dir zu hören. Es ist ziemlich genau 4 Jahre her, dass wir Info's ausgetauscht haben. Es freut mich riesig dass Shannon so Fortschritte gemacht hat und ich mag es Euch von Herzen gönnen. Tja bei uns ist die Situation ziemlich nüchtern. Er ist jetzt 11Jahre alt, ist immer noch in der Heilpädagogischen Schule, jetzt in der 3. Klasse für Körperbehinderung. Er ist kontinuierlich am Artikulieren, in seiner Sprache, ahmt die Geräusche der realen Welt nach, eine Katze ist immer noch "Miau". Der Wortschatz ist sehr klein. Manchmal sagt er einen Satz bestehend aus max. 5 Wörtern, worin aber Bindewörter vollständig fehlen. Die Worte sind schwer verständlich. Man braucht Übung, Fremde haben fast keine Change. Er kennt inzwischen alle Buchstaben, tut sich aber schwer mit Lesen. Addition / Subtraktion im Zahlenraum bis 20. Er fühlt sich wohl in der Schule und ist gut integriert. Er hat eine tolle Lehrerin, die ein auf ihn abgestimmtes Pensum fährt.
Letzten Herbst hat sich bei ihm Diabetes manifestiert, was uns ziemlich auf Trab gehalten hat und ihm und uns eine neue Hürde auferlegt hat. Inzwischen haben wir das auch im Griff, aber Lesen und Rechnen wird nun nicht nur "nice to have" sein, es ist lebensnotwendig. Eine falsche Berechnung des Insulins kann lebensgefährlich sein. Ob er diese Fähigkeit je erlangen wird, weiss ich nicht. Ich mach mir darüber auch noch keine Gedanken. Das schauen wir dann an wenn er soweit ist. Anmerkung: Ich will dieses Thema hier auch nicht diskutieren, es soll einfach nur seine und unsere Situation zeigen.
Hallo Andrea
Ich habe hier 2007 diesen Thread eröffnet weil ich Fragen hatte und Antworten erhoffte. Wie auch Du dachte ich, es müsse andere Betroffene geben. Es gibt Sie, aber ich habe die erhofften Antworten nicht erhalten. Ich sehe das inzwischen so. Am Anfang der Diagnose stehen 1000 Fragen im Raum. Irgendwann stellt man fest, dass man alles getan hat was man konnte, alle wichtigen Informationen gesammelt hat und dass die "neuen" Informationen nur noch Wiederholungen sind und immer mehr vom Kern der Situation abdriften. Am Anfang ist die Lernkurve sehr steil und flacht dann ab. Wenn man sich im flachen Teil der Lernkurve befindet, dann wird die Situation zum Alltag, man lebt damit, es gehört zum Leben, ist Bestandteil der Familie, Bestandteil unseres Lebens, 24h, 365Tage Jahr um Jahr. Es ist unsere Normalität und man arrangiert sich damit und macht das Beste daraus. Irgendwann muss man einfach in die Zukunft schauen und die Situation wieder selbst in die Hand nehmen. Deshalb denke ich läuft in den Foren nicht viel. Ich habe mir einzig vorgenommen jedes Jahr mal hier reinzuschauen und einen Update zu schreiben. Für alle Die, die wie ich Fragen hatten.
Deine Beschreibung ähnelt sehr der Situation und der Diagnose die wir damals hatten. Da Du die Diagnose hast, bist Du schon mal an den richtigen Logopäden geraten und das ist sehr viel wert, denn Da bist Du in den richtigen Händen. Ich nehme an Du hast unsere Geschichte gelesen, dann kennst Du chronologisch den Verlauf der Entwicklung bis jetzt und die Fragen die ich hatte.
Als ich hier Deine Geschichte gelesen habe, habe ich mich versucht zurückzuversetzen in unsere Situation als wir es erfahren haben und habe mir überlegt was gibt es Sinnvolles zu sagen. Was wäre für mich hilfreich gewesen.
Da wieder ein Jahr vorbei ist, nehme ich diese Gelegenheit als update war und schreibe mal über meine persönlichen "Lessons Learned" mit einer kurzen Begründung. Ich denke manche sind ernüchternd aber ich bin nun mal der Meinung eine Situation zu verschönern bringt nichts, die Realität holt einen ein. Ich persönlich weiss lieber von Anfang an woran in bin.
Man findet im Netz viele Tips und Ideen und immer gibt es jemanden der mit einer Methode Erfolg gehabt hat, jemanden der bei einem Spezialisten gewesen ist, diejenigen die ihre Therapie oder ein therapeutisches Produkt teuer verkaufen und und und... Für klassische Sprachprobleme gibt es therapeutische Ansätze die funktionieren. Bei einer verbalen Entwicklungsdyspraxie zeigen diese Ansätze wenig bis keine Wirkung. Der beste Ansatz ist der, den man auch bei Schlaganfallpatienten anwendet. Sie wird auch Drill Therapie genannt, ist aber wenig verbreitet. Ich habe festgestellt dass die Logopäden diesen Begriff negativ assoziieren. Drill bedeutet einfach x mal das gleiche wiederholen bis es sitzt. Ich habe des Öfteren festgestellt dass Logopäden die mit verbaler Entwicklungstherapie keine Erfahrung hatten, gar nicht auf diesen Hinweis eingingen und mir erklären wollten dass "Drill" der falsche Ansatz ist, weil sie damit fälschlicherweise strenge erzieherische Methoden assoziiert haben und dann nach 1/2 Jahr den gleichen Ansatz ohne Namen hervorgebracht hatten.
Ja die Behinderung ist selten. Ich glaube mal gelesen zu haben dass 0.2% der Kinder an einer verbalen Entwicklungsdyspraxie leiden, wobei es keine Differenzierung des Schweregrades gibt. Es wird vermutet dass die Behinderung genetischen Ursprungs ist, wir haben inzwischen in unserer Verwandtschaft einen Jungen der auch an einer Sprachstörung leidet, das würde diesen Ansatz erhärten. Es gibt praktisch keine Studien, hier und da eine Dissertation, keine mir bekannten Langzeituntersuchungen. Der Entwicklungsverlauf wird auch nicht verfolgt und keiner Metrik unterworfen wie es z.B. bei einem Geburtsgebrechen gemacht wird. Ich vermute die leichteren Fälle werden erwachsen und integrieren sich in die Gesellschaft, bei den Härtefällen ist ein mögliches Szenario ein begleitetes Wohnen, oder (wir werden es herausfinden...). Aber da es wenige sind, werden sie nicht speziell erfasst. Beide Fälle entziehen sich irgendwann der Fürsorge der Eltern und haben selbst höchstwahrscheinlich kein Interesse oder keine Fähigkeit/Möglichkeit, Erfahrungen über ihre eigene Entwicklung abzugeben.
Sprechen ist für uns ein ganz normales alltägliches Etwas. In unserem Gehirn muss dafür aber extrem viel komplexe Arbeit geleistet werden. Es beginnt beim Wunsch etwas zu kommunizieren. Dafür müssen Begriffe in einer Sprache gefunden werden. Die Begriffe setzen sich aus sogenannten Phonemen zusammen die das Gehirn in die richtige Reihenfolge bringen muss damit daraus ein Wort entsteht. Die Worte wiederum müssen in die richtige Reihenfolge gebracht werden damit daraus ein Satz entsteht der unser Gegenüber versteht. Zur Umsetzung muss wiederum die Mundmotorik vorhanden sein die es ermöglicht die Phoneme in Schallwellen umzusetzen. Dieser Prozess setzt ein gewisses Abstraktionsvermögen voraus das diesen Kindern fehlt. Im Gehirn ist alles absolut klar vorhanden, aber ihnen fehlt die Möglichkeit es zu artikulieren. Diese Kinder haben keine Probleme sich reale Dinge vorzustellen, abstrakte Dinge machen ihnen aber grosse Probleme.
Eine verbale Entwicklungsdyspraxie geht auch immer mit einer Lernschwäche einher, ist eigentlich auch erklärbar wenn man weiss dass das Abstraktionsvermögen fehlt. Es ist nicht nur eine Entwicklungsverzögerung, d.h. eine Erwartungshaltung dass der Entwicklungsschub dann doch noch kommt, so wie ich sie hatte, ist falsch. Es wird immer ein Defizit bleiben. Nur weiss man nicht wie gross das Defizit ist. Ich denke das hängt vom Schweregrad ab.
Wer nicht sprechen kann, hat auch Mühe Lesen und Schreiben zu lernen. Vor allem Schreiben ist ein Problem, denn die Aneinanderreihung der Phoneme und Worte zu einem sinnvollem Ganzen (dem Satz) ist nicht vorhanden. (Aussage unserer Logopädin, wir sehen das aber schon bestätigt)
Da es sich um wenig Fälle handelt, die Ursache noch nicht identifiziert wurde, und es aktuell keine Therapie gibt die greift, haben die Logopäden/innen (im Folgenden nur noch die männliche Form) natürlich auch einen schweren Stand. In der Anfangsphase wechseln die Logopäden spätestens alle 2 Jahre, hier bei uns auf jeden Fall. Vorschullogo, Kindergarten logo, ev. Spezialist, Schullogo. Sobald der Logopäde merkt, dass sein Ansatz nicht wirkt, verweist er Dich an einen Spezialisten zur Abklärung (er will ja keinen Fehler machen) dieser hat dann eine weitere Idee und schickt Dich zu einer weiteren Abklärung. Das geht so weiter, dann wechselt das Kind die Schule und ein neuer Logopäde / Lehrer hat die Hauptverantwortung. Das Spiel fängt von vorne an. Je älter das Kind wird, desto langsamer geht dieser Zyklus vonstatten, da es länger beim gleichen Lehrer/Logopäde bleibt und Ruhe kehrt zu Hause ein.
Dazu kommen dann noch die vielen Tipps von Bekannten die sich Sorgen machen und gehört haben dass..., ebenso die Information aus dem Netz. Wichtig zur Qualifikation der Informationen aus dem Netz ist, dass man im Netz hauptsächlich von Erfolgen liest, die Ausgangsbedingungen aber meistens anders sind. Von den Ansätzen die keinen Erfolg bringen liest man nichts.
Als Eltern will man natürlich nichts unversucht lassen und das ist auch richtig so. Für mich ist wichtig die Balance zu halten zwischen therapeutischem Erfolg
und familiärer Belastung. D.h. die Belastung durch Therapien, Abklärungen, Anreisezeiten in einem Mass zu halten, dass noch Zeit zum Spielen und Zeit zum Kind sein bleibt.
Wichtig ist einen guten Logopäden und eine Schule zu finden in der das Kind gefördert wird und nicht einfach nur mitgezogen oder sogar ausgegrenzt wird.
So, das war jetzt eine ganze Menge, zum Glück hat es heute geregnet und ich hatte Zeit zum Tippen. Ich weiss nicht ob Dir das was bringt. Ich kann Dir nur ganz nüchtern den Stand der Dinge aus meiner Sicht sagen. Ich kenne kein Rezept und mir keine bekannte Therapie die wirklich Besserung bringt. Sorry für die nüchternen Fakten.
Ich wünsche Euch allen alles Gute.
PS: Antworten können lange gehen. Spätestens kommt nächstes Jahr wieder ein Update.
Liebe Grüsse
Koni
Anmerkung von Bea für alle, die mit inok Kontakt aufnehmen möchten- leider ist die im Forum angegebene Mailadresse nicht mehr gültig, PN's können darum nicht weitergeleitet werden - /überprüft am 02.01.2021