Die Spezialmutter

Hier könnt ihr Tipps zu Bücher, Zeitschriften oder gute Texte eintragen.
Antworten
Flavia
Site Admin
Beiträge: 896
Registriert: 6. Dezember 2004, 12:31
Wohnort: 8840 Einsiedeln

Die Spezialmutter

Beitrag von Flavia » 29. Juni 2005, 20:47

Na toll. Jetzt habe ich einer Mutter dieses Gedicht empfohlen und weiss nicht mehr wo es im Forum steht....Na dann schreib ich es halt auch nochmals auf!

Die Spezialmutter von Erma Bombeck

Die meisten Frauen werden durch Zufall Mutter, manche freiwillig, einige unter gesellschaftlichem Druck und ein paar aus reiner Gewohnheit.
Dieses Jahr werden 100`000 Frauen Mütter behinderter Kinder werden.
Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, nach welchen Gesichtspunkten die Mütter behinderter Kinder auserwählt werden?
Ich stelle mir Gott vor, wie er über der Erde schwebt und sich die Werkzeuge der Arterhaltung mit grösster Sorgfalt und Überlegenheit aussucht.Er beobachtet genau und diktiert dann seinen Engeln Anweisungen ins riesige Hauptbuch.
"Armstrong, Beth: Sohn- Schutzheiliger Matthias.
Forest, Marjorie: Tochter- Schutzheilige Cäcilie.
Rutledge, Carrie: Zwillinge- Schutzheiliger?
Gebt ihr Gerhard, der ist es gewohnt, dass geflucht wird."
Schliesslich nennt er einem Engel einen Namen und sagt lächelnd: " Der gebe ich ein behindertes Kind."
Der Engel wird neugierig:" Warum gerade ihr, o Herr? Sie ist doch so glücklich."
"Eben deswegen", sagt Gott lächelnd."Kann ich einem behinderten Kind eine Mutter geben, die das Lachen nicht kennt. Das wäre grausam."
"Aber hat sie denn die nötige Geduld?" fragt der Engel. Ich will nicht dass sie zuviel Geduld hat, sonst ertrinkt sie in einem Meer von Selbstmitleid und Verzweiflung. Wenn der anfängliche Schock und Zorn erst abgeklungen sind, wird sie es tadellos schaffen. Ich habe sie heute beobachtet. Sie hat den Sinn für Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, die bei Mütter so selten und so nötig sind. Verstehts du: Das Kind, das ich ihr schenken werde, wird in seiner eigenen Welt leben. Und sie muss es zwingen, in der ihren zu leben, das wird nicht leicht werden."
"Aber, Herr, soviel ich weiss, glaubt sie nicht einmal an dich."
Gott lächelt: "Das macht nichts, das bringe ich schon in Ordnung. Nein sie ist hervorragend geeignet. Sie hat genügend Egoismus."
Der Engel ringt nach Luft: "Egoismus? Ist das denn eine Tugend?" Gott nickt: "Wenn sie sich nicht gelegentlich von dem Kind trennen kann, wird sie das alles nicht überstehen. Die Frau ist es, die ich mit einem nicht ganz vollkommenen Kind beschenken werde. Sie weiss es zwar noch nicht, aber sie ist zu beneiden. Nie wird sie ein gesprochenes Wort als etwas selbstverständliches hinnehmen. Nie einen Schritt als etwas Alltägliches. Wenn ihr Kind zum ersten mal Mami sagt, wird ihr klar sein dass sie ein Wunder erlebt. Wenn sie ihrem blinden Kind einen Baum, einen Sonnenaufgang schildert, wird sie ihn so sehen, wie nur wenige Menschen.
Ich werde ihr erlauben, alles deutlich zu erkennen was auch ich erkenne-Unwissenheit, Grausamkeit, Vorurteile-, und ich werde ihr erlauben sich darüber zu erheben. Sie wird niemals allein sein, jeden Tag ihres Lebens, jede einzelne Minute, weil sie meine Arbeit eben so sicher tut als sei sie hier neben mir."- "Und was bekommt sie für einen Schutzheiligen?" fragt der Engel mit gezückter Feder.
Da lächelt Gott: " Ein Spiegel wird genügen."
Manu
Beiträge: 10
Registriert: 14. August 2005, 14:39
Wohnort: Frauenfeld

Spezialmutter

Beitrag von Manu » 14. August 2005, 17:22

Hallo Flavia
Der Text "Spezialmutter" ist einzigartig schön. Ich möchte Dir herzlich dafür danken. Es geht mir immer so gut, wenn ich ihn lese und er gibt genau meine Gefühle wieder. Einfach einsame Spitze!
Manu
Benutzeravatar
CéliNico
Beiträge: 683
Registriert: 27. Juli 2006, 20:50
Wohnort: Bern
Kontaktdaten:

Liebe Flavia

Beitrag von CéliNico » 3. September 2006, 00:14

Unter "Verschiedenes" findest du den Text auch wieder!
Wirklich sehr eindrücklich! :!: !
Geht einem sehr nahe und rührt zu Tränen!

Vielen Dank!

Lieben Gruss

Daniela
Jin
Beiträge: 6
Registriert: 17. April 2007, 07:26
Wohnort: Luzern

Beitrag von Jin » 26. April 2007, 08:52

Liebe Flavia,

Dieses Gedicht ist wahnsinnig schön, vorallem trifft es den Nagel auf den Kopf.
Danke für deinen Hinweis!

Es tut einfach gut solche Zeilen zu lesen!

Liebe Grüsse Karin
Benutzeravatar
CéliNico
Beiträge: 683
Registriert: 27. Juli 2006, 20:50
Wohnort: Bern
Kontaktdaten:

Die Vorgeschichte von der Spezialmutter.

Beitrag von CéliNico » 7. Mai 2007, 21:59

Von Erma Bombeck ( Vier Hände und ein Herz voll Liebe), indem sonst noch Berichte über normale Mütter drin sind, aber der Nachtrag zu dieser Geschichte finde ich sehr interessant weil den niemand schreibt:

als der hund anfing zu bellen, wußte ginny sofort, jetzt kam ihre schwester. der hund versuchte seit sieben jahren ohne erfolg, ihr die zähne in die beine zu schlagen. aber peggy's beine waren auch zu verlockend, selbst für einen ausgewachsenen dobermann.

dieser hund sollte einem rechtsanwalt gehören, schalt peggy. wo ist b.j.?

schaut sich dallas an.

was hat ein vierzehnmonatiges baby von so einer sendung?, fragte sie in scharfem ton.

unterhaltung, seufzte ginny, sonst nichts.

peggy warf ihrer schwester einen mißbilligenden blick zu und kniete vor einem kleinen kind nieder., das durch kissen gestützt in einem stuhl saß.

" Hallo B.J., rief sie" Ich bin's, Tante Peggy. Kennst du mich noch? aber ja doch, nicht wahr?"

"Du brauchst nicht zu brüllen" sagte Ginny" Er ist zurückgeblieben, nicht taub."

"Du bist wohl wieder deprimiert, wie? Du siehst um deine Augen herum so müde aus."

"Wen hast du erwartet? Brooke Shields?

- ......"Du ich habe hier was für dich. Als ich es las habe ich gleich an dich gedacht."

Ginny nahm einen tiefen Atemzug und las: "die meisten Frauen werden durch Zufall Mutter, mache freiwillig, einige unter gesellschaftlichem Druck und ein paar aus reiner Gewohnheit. Dieses Jahr werden 1000 Frauen Mütter behinderter Kinder werden. Habe sie sich schon einmal Gedanken gemacht, nach welchen Gesichtspunkten Mütter behinderter Kinder ausgewählt werden? Ginny: "mir ist jetzt schon schlecht"

"lies weiter" befahl Peggy.

ginny's augen glitten gleichgültig über die zeilen. als sie den artikel fertiggelesen hat, warf sie ihn auf den tisch und sagte: reiner quatsch.

ich hatte gedacht, er würde dir etwas sagen, seufzte peggy.

"hat die verfasserin ein behindertes kind? wenn nicht, wer gibt ihr das recht, zu erzählen, was ich empfinde? ich habe es satt, daß man mich gegönnert. es ist schon schlimm genug, mit allem fertig werden zu müssen, man braucht mir nicht noch einen heiligenschein zu verpassen."

ich dachte ja nur.

schau dir doch an, was wirklich los ist, unterbrach sie. das hier ist das einzige haus im ganzen block, in dem nie eine schaukel aufgestellt wird, wo nie ein trampelpfad über den rasen führen wird. ich bin die mutter, deren kind nie in einer kloschüssel spielen wird, wenn ich gerade telefoniere. es wird nie meine lieblingszeitschrift zerfetzen, nie splitternackt auf und davon laufen. nie backe-backe kuchen machen. mich nie an den haaren ziehen. nie auch nur meinen name sagen!

wenn man dich so hört, glaubt man, du müßtest mal einen abend lang raus. ich mache dir den babysitter, wenn du möchtest.

ich brauche keine kalenderspüche, die man gerahmt an die wand hängt. ich habe eine stinkwut, verstehst du das nicht?

gehst du denn nicht mehr zu den zusammenkünften?

nein. ich habe sie dick, diese sitzungen des gruppenelends, wo einem jemand erzählt, gott laste einem nicht mehr auf, als man tragen kann. weißt du, was ich finde? er hat übers ziel hinaus geschossen. ich ertrinke, peggy.

du solltest öfter ausgehen.

meinst du, das wüßte ich nicht? sie trank einen schluck kaffee. entschuldige, peggy. ich habe einfach eine irre angst. ich komme jetzt einigermaßen zurecht. im ernst. rob nimmt es fabelhaft. und meine eltern sind wunderbar. manchmal vergesse ich, wie entschäuscht sie sein müssen. aber wie heißt es so schön: die länge trägt die last. ich weiß, wie b.j. in zehn jahren sein wird, aber wie werde ich sein? ich finde es gräßlich, was die verbitterung bei einem menschen anrichtet. für irgendwen möchte ich etwas besonderes sein. entschuldige, daß ich so durchdrehe, aber jedesmal, wenn ich so etwas lese....

ich verstehe schon, sagte peggy und stand auf. ich wollte eigentlich nur auf einen sprung hereinkommen. brauchst du irgendetwas?

ginny schüttelte den kopf und begleitete ihre schwester zu tür. tut mir leid, komme wieder, wenn ich wieder normal bin, ja? sie umarmten sich.

als peggy gegangen war, schaute ginny nach b.j. er saß still da, und vor ihm spielte sich dallas ab, eine geschichte von habsucht, konkurrenzkampf und fleischlichen begierden. ginny bückte sich, wischte ihm mit einem zellstoff das gesicht und stecke es in ihren ärmel. na, tiger, was machen wir denn heute? spielen wir volleyball im zimmer? als sie sich aufrichtete, sah sie ihr spiegelbild und blieb davor stehen, um es genauer zu betrachten. was sie anschaute, erschütterte sie. da stand eine dreißigjährige mit hundertjährigen augen. augen, die stumpf und teilnahmslos dreinsahen. augen ohne freude. augen, die zwar blickten, aber nichts er-blickten. augen, in denen kein leben war. sie wandte sich rasch vom spiegel ab und stellte die kaffetassen zusammen. eine zeile sprang ihr aus dem liegengebliebenen zeitungsausschnitt: wenn ihr kind zum ersten mal mama sagt, wird ihr klar sein, daß sie ein wunder erlebt.

sie kniete sich neben b.j. auf den boden. hör zu b.j., ich muß dir etwas sagen. ich bin keine heilige. es ist mir wichtig, daß du das weißt. ich habe dich verflucht - für meine schuldgefühle, für meine erschöpfung, für mein ganzes leben. ich habe mich gefragt, warum wir zwei geboren wurden. ich habe es noch immer nicht herausgebracht, warum ER uns zusammengespannt hat. ich weiß nur, daß zwischen uns etwas ganz besonderes existiert, etwas, das ich nicht eimal rob erklären kann. ich könnte es nicht ertragen, wenn du nicht da wärst, oder nie dagewesen wärst. eben jetzt hab ich mich im spiegel gesehen, wie du mich sehen mußt: besiegt, erledigt und wütend. aber so bin ich nicht, ehrlich nicht. manchmal glaube ich, ich bin diejenige, die behindert ist.

ginny holte b.j. aus dem stützstühlchen und drückte ihn an sich, während sie mit ihm vor den spiegel trat. bj.j, ich habe noch nie um etwas gebeten, aber jetzt möchte ich, daß du mama sagst. ich weiß, es wird nicht gleich tadellos klappen, aber versuch's. gib irgendein ton von dir. grunz, rülps! irgendwas. aus b.j.'s mund quoll spucke. es kam kein ton. dann bemerkt ginny seine augen. sie starrten in die ihren, wie sie es noch nie gesehen hatte. anfangs blickten sie nicht geradeaus, aber dann sahen sie sie zum ersten mal an. in ihnen lag bewußtsein, interesse, erkennen. er wußte, wer sie war.

rob würde ihr das nicht glauben, aber b.j. hatte eben sein erstes wort gesprochen. mit den auggen. er hatte sie mama genannt. tränen stiegen ihr in die augen. sie nahm den artikel und schob ihn in die altpapierschublade. er blieb mist, aber an der sache mit dem wunder war etwas wahres.


>>HIer Text von oben einfügen<<<

Liebe Grüsse

Daniela
Antworten