Berührende,unvergessliche Begegnungen mit sterbenden Kindern

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Beatrice
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Berührende,unvergessliche Begegnungen mit sterbenden Kindern

Beitrag von Beatrice » 19. Juni 2010, 21:16

Im Andenken an Philipp, einen kleinen Freund
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Im Frühling 92 lernte ich dich kennen,
ein kleiner, 21 Monate alter, schüchterner Junge in der Geborgenheit von Mamas Armen,
- so sah ich dich zum ersten Mal.

Später traf ich dich öfters auf der Kinderkrebsstation.
Ich erlebte, wie du schriest bei der KMP
und wie du nur kurze Zeit danach,
vergnügt mit dem Dreirad durch den Flur düstest.

So viel hast du durchgemacht, du hättest jeden Verbitterung spüren lassen können,
doch wo du auch warst,
du brachtest Freude und Fröhlichkeit in unsere Herzen.
Noch sehe ich dich, wie du mit meinen verpatzten Gedichteblättern
Papierflugzeuge formen liessest
und sie jauchzend vor Vergnügen hinter jedem herwarfst.

Kleiner, tapferer Bub, Du kamst ins Sterile Zelt,
hast es selbst dort bewundernswert überstanden.
Hoffnung keimte, dich noch lange unter uns zu haben.
Doch wieder schlug der Krebs zu,
diesmal unheilbar.
Rasend schnell breitete er sich aus,
doch noch immer warst du zufrieden.

Man konnte denken, du wüsstest nichts,
aber vielleicht wusstest du einfach mehr.


In deiner letzten Stunde batest du, fern gucken zu dürfen.
Es kam Donald Duck, deine Lieblingsfigur und du lachtest,
lachtest und lachtest,
es klingt noch immer in mir.

Das war dein Abschied und bleibt für immer mein Trost...

Copyright by Bea Pfister, Dezember 1992
im Andenken an Philiipp Zahner
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Erinnerungen an Gabriel oder Geschenk zum Abschied
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Ich weiss es noch, als ob es gestern erst gewesen wär, und dabei ist es schon fast 4 Jahre her:

Du warst im Spital zu deiner allerletzten Bestrahlung
- sie konnte dir nicht wirklich helfen,
vielleicht würde sie dir einen Tag länger zu leben geben,
sie war eigentlich wichtiger für deine Mama.

Sie konnte nicht untätig zusehen, wie es immer schlimmer wurde für dich, ihren geliebten 6 Jahre alten Sohn.
Und nach der Bestrahlung wollte der Professor noch mit ihr sprechen, allein.
Jedenfalls erzählte mir deine Mama ihren Kummer,
dich so allein im Wartebereich sitzen zu lassen, liegend mehr in deinem Spezialrollstuhl.
Da bot ich mich an, dich zu hüten und so konnte sie einigermassen ruhig zum Professor gehen.

Ich wusste, dass das Gespräch länger dauern sollte und überlegte mir,
wie ich deinem Gemüt und deinen Bedürfnissen
wohl gerecht werden könnte.
Du warst zu dem Zeitpunkt, bedingt durch den Gehirntumor, schon halbseitig gelähmt, auf einem Auge ganz erblindet, auf dem 2.ebenfalls in der Sehkraft eingeschränkt und auch deine Sprache war verwaschen und nur noch ein Flüstern.

So hatte ich denn zuerst auch Schwierigkeiten, als du anfingst zu sprechen,
aber so nach und nach fand ich heraus, dass du malen wolltest.
Ein Malbüchlein liegt da immer, auch 5 oder 6 Farben, die legte ich dir auf dein Tischchen.
Gewiss hast du dem Büchlein früher, als es dir noch besser ging, viel Farben angemalt.
Jetzt wolltest du es nicht, du hast es einfach weggestossen mit deiner linken, noch etwas bewegungsfähigen Hand.

Ich düste los um irgendein Zeichenblatt zu holen und legte das vor dich hin.
Deine Antwort war ein Lächeln.
Die Sonne in meinem Herzen ging auf.

" Gib mir Gold!", sagtest du, als sei es ganz dringend,
aber es gibt unter den Stiften kein Gold,
es gibt nur Rot, Gelb, Grün, Blau, Schwarz und Braun.
Ich zählte dir die Farben auf, die es hat
und du sagtest: "Gut, dann Gelb!"

Und dann fingst du an zu zeichnen.
Ich bot dir noch an: Gell, du sagst mir, wenn du eine andere Farbe möchtest.
"Brauche keine", sagtest du.
Ein Spitzer liegt auf dem Tisch, dann kann ich’s dir spitzen - sagte ich
und du ganz freundlich: "Ist gut".

Und dann gingst du auf in deinem Zeichnen
und ich hatte nur die Aufgabe, das Blatt zu halten.
Du maltest ganz sachte, fast ohne Druck und das Gelb hob sich kaum ab vom weissen Blatt,
sodass ich nicht erkennen konnte, was du jetzt malst.
Aber du schienst ganz zufrieden - also war es gut.

Du maltest schon fast eine Stunde,
mittlerweile vermochte ich einen Schmetterling zu erkennen - und sagte es.

"Psst", sagtest du, "sonst fliegt er weg..."

Oben rechts erkannte ich auch eine Sonne mit kräftigen Strahlen, am Schmetterling befestigt zwei Spiralen, eine runde mit einem Knotenwirrwarr und eine eckige, in deren Mitte du GABRIEL schriebst
und unten, fast am Boden: MÜLLER.

Dann legtest du, wie nach getaner Arbeit, deine linke Hand zur rechten in den Schoss und schliefst ein.

Als deine Mama kurze Zeit später kam,
schliefst du wie ein kleiner Engel
- ganz entspannte Züge.
Du sahst so zufrieden aus!

Ich konnte sehen, dass deine Mama geweint hatte.
"Schau, er hat gemalt ", sagte ich und zeigte ihr dein Bild.

"Man sieht ja kaum, was das ist", sagte sie und dann fast vorwurfsvoll: "Warum hast du ihm denn Gelb gegeben und nicht eine Farbe, die man sieht auf Weiss!?"

Da habe ich ihr erklärt, dass du Gold wolltest und dich dann ganz klar für Gelb entschieden hattest.

So sassen wir da und betrachteten das Bild, während du selig schliefst
und immer mehr glaubte ich, das Bild zu verstehen. Ein Bild zum Abschied.

Ein Schmetterling, der ins Licht fliegt,
die Lebensspirale von Gabriel schrittweise mit jedem mm weiter fortzieht und schliesslich auflöst, bis im Kästchen nur noch sein Name bleibt, auch die 2. Wirrwarrspirale, vielleicht seine Krankheit, verschwindet auf dem Weg zur Sonne, aber das MÜLLER bleibt da,
als Erinnerung seiner Familie und Freunde an die schöne gemeinsame Zeit mit ihm.

Und das alles gezeichnet in hellem Gelb,
so als wolltest du uns sagen: Dort, wo ich bald bin, seht ihr mich nicht mehr, Da wo ich bald hingehe, ist alles hell und voller Licht,
und böse Schatten gibt’s da keine mehr.

Diese Deutung erzählte ich auch deiner Mama,
und wir weinten dann beide, weil es so weh tat,
und gleichzeitig so schön war, dein Geschenk zum Abschied
- so voller Trost und Hoffnung.

Du bist dann plötzlich aufgewacht,
hast ganz erstaunt in unsere verweinten Gesichter geschaut und geflüstert: "Jetzt sind wir hier aber fertig, jetzt gehen wir heim"
und du hast ganz befreit ausgesehen.

4 Tage später
bist du ganz friedlich zu Hause eingeschlafen
und ins Licht geflogen.

Es waren nur ein zwei kurze Begegnungen,
die ich mit dir hatte, aber sie haben mir so unendlich viel gegeben und geholfen.
Ich denke oft daran und es ist immer wieder
schmerzlich und schön zugleich.

Ich weiss es noch, als ob es gestern erst gewesen wär
und ich möchte es nie mehr vergessen!
Gabriel, ich danke dir, dass ich dabei sein durfte, als dein Geschenk zum Abschied entstand.

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Beitrag von Beatrice » 19. Juni 2010, 21:18

ein Gedicht zum Thema:Tod eines Kindes mit Down-Syndrom

Alessandros Licht
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Die letzten Tage vor Deiner Geburt waren Deine Eltern vor Freude ganz aus dem Häuschen.
Am Tag aber, als Du geboren warst schlich Dein Papa mit hängenden Schultern die Strasse herauf und verkroch sich tagelang in seinem Schneckenhaus.
Bald erfuhren wir den Grund für seine Traurigkeit.
Du warst behindert, hattest das Down-Syndrom.
Kinder wie Erwachsene in unserer Strasse waren verunsichert und hatten Berührungsängste.
Ich hatte eine Gratulationskarte zur Geburt schon verfasst, aber als ich sie bei Euch in den Briefkasten werfen wollte, sagte meine Mama: "Nein, das lassen wir jetzt besser!"

Hinter ihrem Rücken tat ich es doch und wurde wenige Tage später von Deiner Mama eingeladen.
Ich fand Dich so süss, überhaupt nicht hässlich, schon als Baby warst Du so ein freundlicher Bub.
Ich besuchte Dich öfter und eines Tages hast Du mich erkannt und mich so liebevoll und stürmisch umarmt, dass es mir ganz warm ums Herz wurde.

Sorgenkind hat man Dich genannt, dabei warst ein Bündel voller Lebensfreude und Fröhlichkeit.
Zusammen mit freiwilligen Helferinnen vom Entlastungsdienst habe ich Dich auch auswärts erlebt, im Schwimmbad oder im Zoo.
Das Wort "Entlastungsdienst" hat mich immer gestört, Du warst doch keine Last, sondern reine Freude.
Ich habe jeden Tag genossen mit Dir.

Das, was man ein helles Köpfchen nennt, hattest Du wegen Deiner Behinderung nicht, und doch ist jede Erinnerung an Dich hell, so voller Licht und Herzenswärme.
Keines Menschen aufrichtiges Lachen oder Lächeln habe ich öfter gehört und gesehen als Deines.

Mitten in einer Nacht hörte Dein Herz einfach auf zu schlagen.
Alessandro, Du fehlst mir noch heute!

Gestern in Luzern traf ich auf der Strasse eine Frau vom Entlastungsdienst.
Sie wartete mit ernstem Gesicht an der Bushaltestelle.
Ich grüsste sie mit Namen - sie kannte mich nicht mehr, fragte nach.
Ich sagte, wir kennen uns von Alessandro Peiro und ihr Gesicht hellte sich auf vor Freude.

Und es ist so, wie ich es sage, eine kostbare Zeit mit Dir gewesen.

Das Licht, das Du in Deine kleine Welt brachtest und zu uns, strahlt über deinen Tod hinaus aus dem Gesicht eines jeden Menschen, der Dir je begegnet ist.

(in Erinnerung an Alessandro Peiro, 18.10.1981 - 03.01.1990)

verfasst von Bea Pfister, 16.09.2001
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