IV, Kinderspitex, KESB, Klage wegen Ärztepfusch: Aktuelles zur Rechtslage/ aus der Rechtsberatung von Procap

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Beatrice
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IV, Kinderspitex, KESB, Klage wegen Ärztepfusch: Aktuelles zur Rechtslage/ aus der Rechtsberatung von Procap

Beitrag von Beatrice » 14. Juni 2011, 23:42

Die Krankenkasse muss auch bei IV-Fällen Kinder-Spitexleistungen bezahlen
Neues Urteil zur Kinderspitex (9C_886/2010) Das Bundesgericht hatte vor einem Jahr entschieden, dass die IV die Kin-derspitex nicht mehr im bisherigen Umfang übernehmen muss. Nun wird die Tragweite dieses, von Procap kritisierten Entscheids etwas gemildert: Die Eltern von Kindern mit einer Behinderung können die Spitexleistungen sowohl bei der IV als neu auch bei der Krankenkasse einfordern.

Das Bundesgericht hatte vor einem Jahr entschieden, dass die IV die Kinderspitex nicht mehr im bisherigen Umfang übernehmen muss. Nun wird die Tragweite dieses, von Procap kritisierten Entscheids etwas gemildert: Die Eltern von Kindern mit einer Behinderung können die Spitexleistungen sowohl bei der IV als neu auch bei der Krankenkasse einfordern.

Vor einem Jahr entschied das Bundesgericht, die IV müsse lediglich für Behandlungen aufkommen, die nur durch qualifizierte Fachpersonen durchgeführt werden könnten (BGE 136 V 209). Wollten die Eltern hingegen jemand für die Überwachung in der Nacht, einfache pflegerische Handlungen oder Betreuung des Kindes anstellen, müssten sie dies – sofern möglich - aus der Hilflosenentschädigung und dem Intensivpflegezuschlag selber bezahlen. Procap kritisierte an diesem Entscheid, dass in schweren Fällen das Geld nicht reicht um die notwendige Entlastung der Eltern zu finanzieren.

In einem neuen Urteil vom 10. Juni 2011 hat sich das Bundesgericht noch einmal mit dem gleichen Fall befasst und nun die Leistungspflicht der Krankenversicherung beurteilt. Das Bundesgericht hat entschieden, dass sich die Krankenversicherung bei Geburtsgebrechen nicht vollständig zurückziehen darf. Sie muss dafür sorgen, dass Kinder mit Geburtsgebrechen mindestens die gleichen Spitex-Leistungen beanspruchen können, wie Kinder ohne Geburtsgebrechen. Wenn die IV (u.a. wegen dem Bundesgerichtsentscheid vom 7.7.2010) weniger zahlt, muss die Krankenversicherung einspringen.
Dieser Entscheid ist zu begrüssen, weil er die Ungleichbehandlung zwischen Kindern mit und Kindern ohne Geburtsgebrechen im Bereich der Spitex aufhebt. Es ist nun klar, dass die Krankenversicherung auch bei Geburtsgebrechen subsidiär leistungs-pflichtig wird.
Der Entscheid lässt aber auch Fragen offen. So ist unklar wieweit die Krankenversicherung auf die Hilflosenentschädigung und den Intensivpflegezuschlag zurückgreifen darf und wie die einzelnen Bereiche (Betreuung-, Grund- und Behandlungspflege) im Einzelfall abgegrenzt und verrechnet werden. Es ist zu befürchten, dass der administrative Aufwand für alle Beteiligten steigt.
Auch wird in dem Urteil nicht berücksichtigt, wie viel Belastung den Eltern zumutbar ist
. In dem die Hilflosenentschädigung und der Intensivpflegezuschlag teilweise von den Krankversicherung eingefordert werden dürfen, steht den Eltern in gewissen Fällen weniger Geld zur Verfügung um Entlastung zu finanzieren. Das Hauptproblem, nämlich die hohe zeitliche und persönliche Belastung von Angehörigen in der Pflege eines schwer behinderten Kindes, ist damit noch nicht gelöst.
Tipp: Bei einer Reduktion der Spitexleistung durch die IV raten wir den Eltern von Kindern mit einer Behinderung diese sofort bei der Krankenversicherung anzumelden!

7.7.2011, Daniel Schilliger und Irja Zuber Hofer, Rechtsanwälte Procap Schweiz

Quelle: Procap-Rechts-News http://www.procap.ch/NewsAnsichtRecht.6 ... ce6b65fa8a
mit freundlicher Genehmigung durch Procap (Raffeala von Gunten)
Zuletzt geändert von Beatrice am 6. April 2015, 20:36, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: IV und Kinderspitex: Aktuelles zur Rechtslage

Beitrag von Beatrice » 19. September 2011, 17:46

Vielseitiges Procap-Merkblatt für Eltern behinderter Kinder , zum Download

Beratung für Eltern von behinderten Kindern
Was steht meinem Kind zu?


Im Rahmen unserer täglichen Beratungstätigkeit stellen wir fest, dass Eltern von Kindern mit einer Behinderung (auch) im Bereich der Sozialversicherungen speziell gefordert sind. Die Ansprüche gegenüber den Sozialversicherungen ändern sich mit dem Alter und den Fortschritten des Kindes ständig.

Die spezialisierten Sozialversicherungsfachleute und erfahrenen Rechtsanwältinnen bieten Eltern von Kindern mit einer Behinderung zusätzlich ein langjähriges Mandat an. Die Eltern werden unterstützt bis der Übergang ins Erwachsenenleben geregelt ist. Ergänzend besprechen unsere Rechtanwälte mit Ihnen die Themen Erb- und Vormundschaftsrecht.

Das Merkblatt kann über nachfolgende Seite heruntergeladen werden, als Word oder PDF
https://www.procap.ch/fileadmin/user_up ... df_web.pdf

Siehe auch Link zu Buchtipp: Was steht meinem Kind zu? Herausgegeben von Procap
http://www.dasanderekind.ch/phpBB2/view ... f=10&t=594
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Re: IV und Kinderspitex: Aktuelles zur Rechtslage

Beitrag von Beatrice » 19. September 2011, 18:18

Procap-Rechtsberatung unterstützt Eltern behinderter Kinder
(interessanter Artikel aus procap magazin 3/2011, Wiedergabe hier im Forum dank freundlicher Erlaubnis von Raffaela von Gunten, Procap)

Die Eltern behinderter Kinder müssen sich oft mit komplizierten Versicherungsbestimmungen herumschlagen. Die Procap-Rechtsberatung unterstützt Eltern dabei.
Die Eltern der schwerstbehinderten Tanja kamen 2003 auf Procap zu. Das damals vierjährige Mädchen hat eine geistige Behinderung und cerebrale Lähmungen. Es kann weder selbstständig laufen noch essen. Die Bergbauernfamilie musste deshalb das alte Haus rollstuhlgängig umbauen. Die IV wollte stattdessen einen Treppenlift finanzieren.
Die Procap-Rechtsanwältin Irja Zuber erstritt vor Bundesgericht, dass die Bergbauernfamilie das IV-Geld statt in einen Treppenlift in einen Umbau stecken konnte.

Gleichzeitig belastete ein zweites Problem die Familie: Die Abklärung der IV für die Hilflosenentschädigung für Tanja wurde oberflächlich durchgeführt. Die Eltern fühlten sich nicht ernst genommen. Als die Procap-Anwältin einschritt, machte die IV eine zweite, seriöse Abklärung.
Seitdem berät die Rechtsanwältin von Procap Schweiz die Eltern von Tanja bei Bedarf:
Wird eine Hippotherapie übernommen? Wer zahlt medizinische Spezialabklärungen? Dank einem Schreiben der Anwältin an die IV im letzten Jahr erhält Tanja heute zehn Stunden Kinderspitex-Leistungen pro Woche
. Fällt die Pflegeunterstützung weg, ist die Familie von Tanja gezwungen, ihre Tochter in ein Heim zu geben. Doch nicht nur die Pflege der jetzt zwölfjährigen Tanja ist anspruchsvoll, auch die versicherungsrechtlichen Abklärungen sind gemäss Procap-Anwältin Irja Zuber aufwendig: "Solange Tanja lebt, braucht sie - beziehungsweise ihre Eltern - immer wieder Beratung in rechtlichen Angelegenheiten.

Die Procap-Anwältin stellt fest, dass die IV in den letzten Jahren bei den behinderten Kindern spart. Vermehrt müssen sich die Eltern zur Wehr zu setzen, um die ihren Kindern zustehenden Leistungen zu erhalten. Im vergangenen Jahr (2010) berieten die Procap-Anwälte/ -innen 250 Eltern behinderter Kinder und Jugendlicher.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Frau G. Mutter eines behinderten Kindes trat mit folgender Frage an den Procap-Rechtsdienst:
Wir haben ein schwerst behindertes Kind, und wir erhielten bis vor kurzem Kinderspitexleistungen, die uns nun leider von der IV gestrichen wurden. Was können wir tun?

Martin Boltshauser, Leiter Procap-Rechtsdienst, beantwortete diese Frage öffentlich im treffpunkt - Zeitschrift für Behinderte und Nichtbehinderte Nr. 3-2011, Herausgegeben von der Procap St.Gallen-Appenzell

wie folgt:
Sehr geehrte Frau G.
In der Tat hat das Bundesgericht mit einem wegweisenden Entscheid die Voraussetzungen für die Gewährung von Kinderspitexleistungen reduziert. Einerseits sollen reine Entlastungsdienstleistungen nicht mehr über die Kinderspitex abgerechnet werden. Andererseits wollen nur noch die pflegerisch notwendigen und durch eine Fachperson vorzunehmenden Massnahmen bezahlt werden.

Das bedeutet, dass alle Leistungen, die von den Eltern mit der Zeit erlernt werden können - beispielsweise Blutdruckmessen, Sondenlegen usw. - nicht mehr zwingend zu den Massnahmen gezählt werden, die von der Kinderspitex zu leisten sind.Dies alles führt in den meisten Fällen zu einer massiven Kürzung der bisher gewährten Kinderspitexleistungen, die die IV finanziert hat.

Unser Rechtsdienst überprüft sämtliche gekürzten und neu zugesprochenen Kinderspitexleistungen auf ihre Richtigkeit. Wo die Kürzung nicht angefochten werden kann, muss insbesondere geprüft werden, ob sich nicht andere Leistungen der IV durch die Kürzung anpassen lassen. So erhöht sich in der Regel durch die Kürzung der Kinderspitex die anrechbare Zeit bei der Berechnung des Intensivpflegezuschlags.

Springt Krankenkasse ein?
Ebenfalls kann in vielen Fällen geprüft werden, ob nicht andere, spezifische Leistungen der IV wie Physiotherapie usw. angemeldet werden können. Schliesslich ist mit der zuständigen Krankenkasse zu prüfen, welche Leistungen der Behandlungs-und Grundpflege sie allenfalls übernimmt.
Wie Sie sehen, lohnt es sich in jedem Fall, sich mit der Beratungsstelle von Procap (hier St.Gallen) in Verbindung zu setzen.

Weiteres zum Intensivpflegezuschlag
http://www.admin.ch/ch/d/sr/831_201/a39.html


Dass Pflegestunden gestrichen werden, ist übrigens ein nicht nur auf die Schweiz begrenztes Problem, wie der nachfolgende Bericht aus Österreich zeigt:
http://www.unzensuriert.at/001749-inter ... bgeliefert
Zuletzt geändert von Beatrice am 10. März 2012, 22:09, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: IV und Kinderspitex: Aktuelles zur Rechtslage

Beitrag von Geborgenheit » 5. November 2011, 14:57

KINDERSPITEX

Hallo am Montag den 7. Nov kommt um 21.05 auf SFdrs1 Sendung Puls, mit dem Thema : Kinderspitex. Sie waren bei uns und anderen Familien zu Hause und haben uns mit der Kispex gefilm. Bin gespannt auf den kurzen Beitrag.

Lg Sonja

Der Link zum Beitrag:
https://www.srf.ch/play/tv/puls/video/k ... d4226e7e5d
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Re: IV und Kinderspitex: Aktuelles zur Rechtslage

Beitrag von Beatrice » 18. September 2012, 22:33

Stephan Müller, Advokat
Für die Schulbildung von Menschen

Wie planen wir für unsere Tochter
den Übergang von der Schule zur Ausbildung?

Unsere autistische Tochter Anna (16) geht noch bis Sommer 2013 zur Schule. Um selbstständig zu werden, lebt sie in einer betreuten Wohngruppe, die während der Schulzeit vom Kanton finanziert wird. Die Lehre beginnt sie Anfang 2014; sie möchte in der-selben Wohngruppe bleiben. Was ist zu beachten?

Antwort von Stephan Müller
Für die Schulbildung von Menschen mit einer Behinderung sind die Kan-tone zuständig, für die Berufsbildung die eidgenössische IV. Beim Über-gang kommt es deshalb manchmal zu Schwierigkeiten. Dies vor allem im Zusammenhang mit der Finanzierung, denn viele Geldleistungen der Sozialversicherungen werden erst ab 18 Jahren ausbezahlt. Sie sollten deshalb aufpassen, wenn zwischen Schulzeit und Lehrbeginn eine Lücke entsteht, vor allem wenn Anna dann noch nicht 18 Jahre alt ist.
Mit dem Beginn der Lehre über-nimmt die IV im Rahmen der beruflichen Massnahmen alle behinde-rungsbedingten Mehrkosten. Dazu gehören auch die Kosten für das begleitete Wohnen, wenn dies für den Erfolg der Ausbildung nötig ist. Zudem wird ab 18 Jahren während der Ausbildung ein Taggeld ausgerichtet.
Entsteht zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn eine Wartezeit, ist entscheidend, ob Anna schon 18 Jahre alt ist oder nicht, denn Minderjährige können von der IV weder eine Rente noch Taggelder beanspruchen. Diese sind wiederum Voraussetzung für Ergän-zungsleistungen, mit denen Kosten für behinderungsbedingte Hilfe oder Betreuung vergütet werden können. Zuerst sollten Sie bei der zuständigen kantonalen Behörde abklären, ob eine Kostenübernahme für die Wohngruppe auch nach Ende der Schulzeit möglich ist.
Ist dies nicht der Fall und ist Anna in diesem Zeitpunkt noch nicht 18 Jahre alt, kann es für Sie teuer werden. Denn dann müssen Sie das betreute Wohnen bis zum Lehrbeginn aus eigenen Mitteln finanzieren. In diesem Fall sollten Sie mit der Schule über die Möglichkeit eines zusätzlichen Schuljahrs bis zum Erreichen der Volljährigkeit sprechen, um eine längere Finanzierung der Wohnkosten sicherzustellen. Ist Anna 18 Jahre alt, gibt es in der Regel schon während der Wartezeit ein Taggeld der IV, das den Zugang zu Ergänzungsleistungen ermöglicht.
Es ist wichtig, die nötigen Abklärungen und Anträge bei den verschiedenen Behörden möglichst frühzeitig einzuleiten, da die Verfahren oft viel Zeit brauchen. Dabei können Sie die Unterstützung unserer Beratungsstellen in Anspruch nehmen.

Tipps für die Eltern
von Jugendlichen mit Handicap

1. Erkundigen Sie sich frühzeitig bei den kantonalen und regionalen Berufsbildungsämtern über mögli-che Brückenangebote nach der obligatorischen Schulzeit.
2. Im 7. Schuljahr sollte idealerweise ein Antrag auf Berufsberatung bei der IV eingereicht werden. Zu-sätzliche Informationen über mög-liche Ausbildungen sind beim ört-lichen Berufsinformationszentrum (BIZ) zu finden. Wer die Sonder-schule besucht, kann sich in ei-nem Berufsreifungsjahr mit der Berufswahl auseinandersetzen.
3. Die IV übernimmt behinderungs-bedingten Mehrkosten der Ausbil-dung, wenn diese mindestens 400 Franken pro Jahr betragen. Müssen sonderpädagogische Massnahmen (z.B. Logopädie) während der beruflichen Ausbildung weitergeführt werden, dann lassen sie sich allenfalls als behinderungsbedingte Mehrkosten bei der IV beantragen.
4. Vor einer Verlängerung oder einem Wechsel der Ausbildung ist die IV einzubeziehen. Die Zusicherung der Institution reicht nicht, es braucht eine Verfügung der IV.
5. Eine Sonderschule kann in Aus-nahmefällen bis längstens 20-jäh-rig besucht werden. Bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit (Ab-schluss der Sekundarstufe I - die auch länger als bis 16 J. dauern kann) ist der Kanton zuständig.

Diese Tipps sowie weitere relevante Informationen für Eltern von Kindern mit Behinderung vermittelt ein Pro-cap-Ratgeber.
>> «Was steht meinem Kind zu?». Die 3. überarbeitete Auflage kann für 34 Franken (Procap-Mitgliederpreis: 29 Franken) (+ Porto und Versand-kosten) bestellt werden bei Procap Schweiz, Telefon 062 206 88 88 oder info@procap.ch.

Quelle: Procap-Magazin 03/2012, Seite 22
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Re: IV und Kinderspitex: Aktuelles zur Rechtslage

Beitrag von Beatrice » 31. Mai 2013, 21:01

Für ausländische Eltern mit behinderten Kindern, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben (auch Asylbewerber) gibt es diese spezielle Internetseite mit nützlichen Infos:
http://www.migraweb.ch/de/themen/social ... ge/kinder/
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Re: IV,Kinderspitex,Klage wg. Ärztepfu: Aktuelles zur Rechts

Beitrag von Beatrice » 6. April 2015, 20:40

Wenn man ein Spital wegen Ärztepfusch einklagen will - wie sind die Verjährungsfristen?

Hoi zäme

Diese Frage war erst andernorts gepostet in der Hoffnung, dass mir hier jemand eine zuverlässige Antwort geben kann. Da dies nicht der Fall war, habe ich das Ganze jetzt mit Antwort einer Fachperson hierher gezügelt:

Ich habe in einem anderen Forum von einer Schweizer Mami eine Anfrage erhalten, die ich nicht alleine beantworten kann, da mir die Sachkenntnisse fehlen. Hoffe, jemand hier weiss es mit Sicherheit, wie lange in einem solchen "Fall" die Möglichkeit der Eltern besteht, Klage einzureichen

Die Mami im anderen Forum schreibt folgendes:
Meine Tochter ist wegen eines Geburtsgebrechens behindert. Nun stellt sich für uns die Frage, ob nicht ein Behandlungsfehler vorliegt, da ich Symptome (extrem hohen Blutdruck) hatte, die dann auch die vorzeitige Plazentaablösung und Notsectio)bzw. Sauerstoffmangel meiner Tochter zur Folge hatten.. . Ich ging wegen des Blutdrucks zum Arzt, aber er fand, das sei kein Grund zur Besorgnis. Ich solle einfach zu Hause weiter messen. Erst nach der Geburt erfuhr ich, dass hoher Blutdruck ein grosses Risiko bedeutet für vorzeitige Plazenta-Ablösung. Wie lange habe ich Zeit, ein allfälliges Verfahren wegen "Pfusch" in die Wege zu leiten? Gibt es da "Verjährungsfristen"? Ich habe beim googeln einfach nichts gefunden....


Tatsächlich findet man für den Fall eines sogenannten Geburtsschadens für die Schweiz irgendwie nichts. Auf Deutschland bezogen wird man jedoch fündig, nur kann man das dortige Recht ja nicht 1 zu 1 für die Schweiz ableiten.

Ich wäre sehr froh, wenn mir jemand hierzu eine verlässliche Antwort geben könnte, die ich der betroffenen Mami weiterleiten kann.

Folgendes habe ich dazu gefunden- das bezieht sich jedoch nicht auf einen Schaden durch Sauerstoffmangel bei einem Baby
https://www.ktipp.ch/artikel/d/aerzte-p ... -sie-sich/

Diese Artikel hier beziehen sich auf einen Geburtsschaden bei einem Baby - im 1. Fall ist das Resultat der Klage aber negativ
http://www.20min.ch/schweiz/ostschweiz/ ... 8872446602
Hier ist der Ausgang der Klage noch offen, der "Fall" liegt aber ganz anders, als bei der Mutter, die mich kontaktierte...
http://www.blick.ch/news/schweiz/bern/s ... 70593.html

Danke zum Voraus für Eure Antworten

Bea

PS: Ich habe der Mami auf jeden Fall mal den Beitritt zu Procap und Pro Infirmis empfohlen
------------------------------------------------
Da im Forum keine Antwort dazu kam, wendete ich mich an eine Fachperson/Patientenanwältin. Die Antwort ist vielleicht ja auch noch jemand anderem mal nützlich:

Liebe Frau...
Es kommt darauf an, ob das Kind in einem öffentlichen Spital, oder in einem Privatspital auf die Welt kam. In den öffentlichen Spitälern geht die Verjährung von einem bis zu fünf Jahre. In einem Privatspital ist die absolute Verjährungsfrist 10 Jahre.
Wenn die Mutter etwas unternehmen möchte und es handelt sich um ein öffentliches Spital, muss abgeklärt werden welche Verjährungsfirst dieses untersteht.
Mit freundlichen Grüssen
M.K.
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Re: IV,Kinderspitex,Klage wg. Ärztepfu: Aktuelles zur Rechts

Beitrag von Beatrice » 27. November 2015, 20:03

Aus der Procap-Rechtsecke (Procap-Magazin 04/2015)

Frage:
Termin bei der KESB
Unsere Tochter hat eine geistige Behinderung und wird bald 18-jährig. Wir möchten zwar eine Beistandschaft regeln, haben aber Angst vor dem Gespräch mit der KESB. Was ist Ihre Erfahrung und was ist beim Gespräch mit der KESB zu beachten?


Daniel Schilliger, Rechtsanwalt
Am 1. Januar 2013 wurde das alte Vormundschaftsrecht durch das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht ersetzt. Dementsprechend wurden auch die Vormundschaftsbehörden durch regionale Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden, kurz KESB, abgelöst. Während in Vormundschaftsbehörden viele Laien agierten, sind in der KESB Profis mit juristischer, sozialarbeiterischer oder psychologischer Ausbildung tätig.
Hauptziel dieser Revision war die Stärkung der Selbstbestimmung von erwachsenen Personen. Eine Beschränkung der Rechte einer Person soll nur so weit erfolgen, als dies zu deren Schutz unbedingt notwendig ist und keine andere mildere Massnahme genügt. So wird beispielsweise das Recht, selbstständig einen Vertrag abzuschliessen, nur dort eingeschränkt, wo eine Person aufgrund einer geistigen Behinderung nicht in der Lage ist, die Tragweite des Vertragsabschlusses zu erkennen, und die reale Gefahr besteht, dass sie tatsächlich eigenmächtig solche Verträge abschliessen würde. Anders als früher regelt die KESB sehr detailliert, für welche Bereiche ein Beistand eingesetzt wird und welche Rechte dieser Beistand hat.
Ihre Tochter kann eine Person vorschlagen, die Beistand werden soll. Dieser Wunsch muss von der KESB ernstgenommen werden. Diese darf nur dann davon abweichen, wenn sich die Person zum Beistand absolut nicht eignet oder andere triftige Gründe vorliegen. Die Beistandschaft kann auch auf mehrere Personen, z.B. die Eltern, aufgeteilt werden.
Rechenschaftspflichten
Alle Beistände müssen der KESB gegenüber regelmässig Rechenschaft ablegen. So müssen sie z.B. einmal jährlich einen kurzen Tätigkeitsbericht abliefern. Sie sind auch verpflichtet, eine einfache Buchhaltung zu führen und zu Beginn ein Inventar über die vorhandenen Vermögenswerte zu erstellen. Bei bestimmten wichtigen Entscheiden müssen sie die KESB beiziehen. Die Art und Weise dieser Rechenschaft wird mit der KESB zusammen individuell festgelegt. Eltern und andere Angehörige sind hier privilegiert: Die KESB kann sie nämlich von diversen Rechenschaftspflichten befreien, so dass die Administration für Eltern überschaubar bleibt.
Die neue gesetzliche Regelung hat unseres Erachtens viele Verbesserungen gebracht. Neben vielen positiven Rückmeldungen gibt es
aber auch Eltern, die sich durch die Fragen der KESB unter Druck gesetzt fühlen oder zu wenig Wertschätzung erfahren. Hierzu muss man sich aber bewusst sein, dass die KESB prüfen muss, ob sich die Eltern als Beistände eignen, ob ein gutes Verhältnis zum Kind besteht und ob die Beistandschaft durch die Eltern auch dem Wunsch des erwachsenen Kindes entspricht.
So bereiten Sie sich vor
Überlegen Sie sich vorgängig, in welchen Bereichen Ihre Tochter Hilfe und Schutz benötigt. Zeigen Sie auf, welche Entscheide anstehen. Machen Sie sich Gedanken darüber, ob Sie Beistand Ihres Kindes werden möchten und welche Unterstützung Sie dafür erwarten. Zeigen Sie die finanziellen Angelegenheiten Ihrer Tochter transparent auf, indem Sie z.B. die Verfügungen der IV und der Ergänzungsleistungen oder den Heimvertrag zum Gespräch mitbringen. Führen Sie getrennte Konten für Ihre Tochter und legen Sie entsprechende Kontoauszüge vor. Zeigen Sie transparent auf, welche Entschädigung Sie für Ihre Arbeit von Ihrem Kind erhalten.
Im Rahmen einer Rechtsprechstunde können wir detaillierter auf Ihre Situation eingehen. Wenn Sie möchten, können Sie sich dafür bei der zuständigen Beratungsstelle Ihrer Sektion anmelden.
)> Weitere Informationen: Auf der
Website von Procap Schweiz http://www.procap.ch finden Sie unter der Rubrik Rechtsberatung/Erwachsenenschutzrecht weitere Hintergrundinformationen sowie Hinweise zu Vorträgen von Procap- Rechtsanwälten/-innen zum Thema Erwachsenenschutzrecht.
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Re: IV,Kinderspitex,Klage wg. Ärztepfu: Aktuelles zur Rechtslage

Beitrag von Beatrice » 18. April 2016, 21:14

THEMA KESB

Leider macht die KESB auch immer wieder Grenzübertretungen in Familien mit behinderten Kindern.

Endlich hat ein Gericht einmal den Eltern bzw. der volljährigen Tochter mit Cerebralparese RECHT gegeben
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern ... y/18118273


---------------
Eine Familie aus Neerach soll allein für die kompletten Heimunterbringungskosten von monatlich 8000 Franken für ihr 3jähriges, schwerbehindertes Kind aufkommen
https://www.zuonline.ch/front/familie-s ... y/15923163
https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/re ... y/30464054
Zürcher Heimgesetz
https://www.srf.ch/news/regional/zueric ... -aufkommen


Ärztepfusch in Innsbruck - Familie Strobl kämpfte 8 zermürbende Jahre für Schadensersatz für ihre seit einer Leistenbruch-OP schwerstbehinderte Tochter Nadina: Die Geschichte macht betroffen
https://www.addendum.org/behandlungsfeh ... nik-tirol/
https://www.tt.com/artikel/12114693/nac ... rte-nadina
https://kurier.at/chronik/oesterreich/f ... 97.738.106
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Re: IV, Kinderspitex, KESB, Klage wegen Ärztepfusch: Aktuelles zur Rechtslage/ aus der Rechtsberatung von Procap

Beitrag von Beatrice » 29. Dezember 2021, 00:31

Aktuelle Infos rund um die Rechte behinderter Menschen in der Schweiz finden sind via
https://www.humanrights.ch/de/ipf/mensc ... nderungen/

Was zahlt die Krankenversicherung?
http://www.vertrauensaerzte.ch/manual_rev5/


https://www.mein-beruf.ch/Grundlagen.aspx
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Neuerungen bei der IV, Januar 2022

Beitrag von Beatrice » 1. Februar 2022, 19:27

Aus dem neuesten Procap-Magazin zu den Neuerungen der IV per 1.1.2022

Auf den 1. Januar 2022 wird die Invalidenversicherung revidiert. Der Titel «Weiterentwicklung der IV» zeigt auf, dass das Parlament den IV-Grundsatz «Eingliederung vor Rente» fördern will, was natürlich zu begrüssen ist. Im Zentrum der Revision stehen die intensivere Begleitung bei Geburtsgebrechen, die gezielte Unterstützung von Jugendlichen beim Übergang ins Erwerbsleben und der Ausbau der Beratung und die Begleitung von Menschen mit psychischen Gesundheitsstörungen. Zudem wird das heutige Rentenmodell durch ein stufenloses System ersetzt. Eine einheitliche Regelung der Abklärungen und medizinischen Gutachten wird für alle Sozialversicherungen im Gesetz verankert.

In der Folge werden die wichtigsten Punkte aus Sicht von Procap kurz erläutert.
Medizinische Massnahmen
Bisher wurden medizinische Massnahmen bis zum 20. Altersjahr zugesprochen. Neu können diese bis zum 25. Altersjahr verlängert werden, wenn die IV gleichzeitig berufliche Massnahmen gewährt. Zudem wird die Krankenkasse verpflichtet, die bisher von der IV zugesprochenen Leistungen im Besitzstand weiter auszurichten. Die Geburtsgebrechenliste wurde komplett überarbeitet. Dabei sind vor allem neue, seltene Krankheiten aufgenommen worden. Dies ist wichtig, da bei seltenen Krankheiten die Kosten regelmässig sehr hoch sind. Im Speziellen fällt die in der Praxis störende Frist von 5 Jahren für die Anerkennung von Autismus-Spektrum-Störungen erfreulicherweise weg.

Assistenzbeitrag
Die bisher ungenügende Abgeltung der Nacht wird geändert, sodass sie den Vorgaben des Modell-Arbeitsvertrags für Angestellte im Hausdienst entspricht. Eine Errungenschaft der neuen Regelung sind zudem die Abschaffung der Pauschale sowie die Möglichkeit, die Nachtstunden für Assistenzleistungen auch am Tag einzusetzen.

Berufliche Massnahmen
Die Massnahmen zur beruflichen Eingliederung von Jugendlichen und Menschen mit einer psychischen Behinderung werden ausgebaut. Die IV erhält neu die Möglichkeit, sogenannte Brückenangebote mit den Kantonen zusammen zu finanzieren. Bisherige Massnahmen werden vor allem zeitlich ausgeweitet, was sehr sinnvoll ist. Ziel dieser erweiterten Massnahmen ist die grösstmögliche Vermeidung von Rentenzusprachen vor allem bei jungen Versicherten.
Das «kleine Taggeld» bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung sinkt zudem und wird analog einem Lehrlingslohn konzipiert. Das ist in der Praxis nicht so einschneidend, besteht doch bei knappen finanziellen Ressourcen als Ergänzung zum Taggeld ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen.
Für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung wird ein Personalverleih eingeführt, mit dem Arbeitgebende potenzielle Angestellte kennenlernen können. Die sozialberuflichen Integrationsmassnahmen werden zeitlich ausgedehnt und besser an individuelle Bedürfnisse angepasst. Um die Vermittlungschancen nach Wegfall der Invalidenrente zu erhöhen, wird schliesslich die mögliche Bezugsdauer für Taggelder der Arbeitslosenversicherung auf 180 Tage verdoppelt.

Das neue Rentenstufenmodell
Die bisherigen vier Rentenstufen (Viertelsrente, halbe Rente, Dreiviertelsrente, ganze Rente) werden durch ein stufenloses Rentensystem abgelöst. Zur Anwendung kommt das neue, stufenlose Rentensystem für alle Neurentner*innen ab dem 1. Januar 2022. Damit sollen die bisherigen Schwelleneffekte, die sich z. B. bei Lohnerhöhungen immer als Hindernis gezeigt haben, abgebaut werden.
Wie schon heute wird ab einem IV-Grad von 70 Prozent eine ganze Rente zugesprochen. Bereits laufende Renten werden dann nach dem neuen System berechnet, wenn sich bei einer Revision der Invaliditätsgrad um mindestens 5 Prozentpunkte ändert und wenn die versicherte Person bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung noch nicht 55 Jahre alt ist. Die Renten von Versicherten unter 30 Jahren werden innerhalb von 10 Jahren ins stufenlose System überführt, sofern sie nicht schon im Rahmen einer ordentlichen Revision angepasst wurden.

Gutachten
Im Bereich der medizinischen Gutachten hat sich Procap in den letzten Jahren intensiv bemüht, Verbesserungen zu erreichen. Die zum Teil unwürdigen Zustände wurden nun auch vom Gesetzgeber erkannt, und es sind deutliche Verbesserungen vorgesehen. Die Qualifikationen der Ärzt*innen, welche Begutachtungen durchführen, werden genauer definiert. Auch soll die Qualität der Gutachten mit verschiedenen Massnahmen verbessert werden. Insgesamt soll die Stellung der Versicherten bei der Begutachtung gestärkt werden. In Zukunft muss das Gespräch der Gutachterin/des Gutachters mit der versicherten Person mit einer Tonaufnahme dokumentiert und zu den Akten genommen werden, ausser wenn es der/die Versicherte anders bestimmt. Die IV-Stellen müssen künftig eine Liste mit Angaben zu allen beauftragten Sachverständigen und Gutachterstellen führen und veröffentlichen, wobei auch die attestierten Arbeitsunfähigkeiten auszuweisen sind.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die unbefriedigende Situation im Bereich Gutachten durch diese erfreulichen Verbesserungen deutlich verändert. Neu wird eine Kommission eingerichtet, die die Zulassung als Gutachterstelle, das Verfahren der Gutachtenerstellung und die Ergebnisse der medizinischen Gutachten überwacht. In dieser Kommission werden die verschiedenen Sozialversicherungen, die Gutachterstellen, die Ärzteschaft, die Wissenschaft sowie Patientenund Behindertenorganisationen vertreten sein. Dort wird vermutlich auch eine Person aus dem Kreis von Procap Einsitz nehmen, womit wir in die Überprüfung der Entwicklung eingebunden sind.
Der Rechtsdienst von Procap hat eine Broschüre zu den Änderungen der IV-Revision verfasst, die sowohl in gedruckter Form wie auch digital über unsere Website bezogen werden kann.

Bis auf weiteres steht unter der Nummer
062 206 88 00 jeweils am Montag von 14 Uhr bis 16 Uhr eine Fachperson des Procap Rechtsdienstes kostenlos für allgemeine Fragen zur IV-Revision zur Verfügung.
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