Hallo wir sind es. (ADHS und sehr starke Kurzsichtigkeit)

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Lia
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Hallo wir sind es. (ADHS und sehr starke Kurzsichtigkeit)

Beitrag von Lia » 16. Mai 2017, 08:40

Hallo, wir sind eine kleine Familie, bestehend aus mir und meinem wilden Sonnenschein ( 7 )
Ich fand ihn anfänglich nie sonderlich aufällig, er war ein ruhiger viel lächelndes Baby, aber eben etwas ruhig. In der Kinderkrippe lebte er richtig auf.
Er war sogenannter Latetalker, da er ist mit 2-3 anfing zu sprechen. Auch seine Feinmotorik ließ zu wünschen übrig.
Zudem wurden dann im Kindergarten-alter immer öfters sehr emotionale Gefühlsausbrüche bemerkbar. Jene schien er selbst auch nicht wirklich kontrollieren zu können, vor allem nicht wenn noch äußere Reize auf ihn einfluteten.
Angesichts seiner ganzen Defizite bekam er dann Frühförderung, Logo und Ergo. Die Therapeuten waren mit seinen Fortschritten auch alle zufrieden also sah ich positiv auf den Schulanfang zu.
Leider ist die Schule nicht so positiv.

Er kann sich schwer länger konzentrieren, Ausdauer problematisch, leicht ablenkbar. Und auch seine Gefühlsausbrüche machten sich hier schnell bemerkbar. Zudem war sein sozialer Umgang mit den Erwachsenen aber auch anderen Kindern nicht altersgemäß. Seine Aussprache ist noch undeutlich.
Kurzum die Schule machte uns gehörig Druck das er ja doch nicht so sei wie die Anderen. Inzwischen hatten wir nun vor kurzem diverse Untersuchungen bei Therapeuten , Psychologen und ein EEG. Was dabei heraus kommt, wird sich zeigen.

Bisher weiß ich nur das er im logischen visuellen über dem Durschnitt seines Alters liegt und im Ausdauerenden konzentrierten unter dem Durchschnitt. Laut Psychologen könnte er aber durchaus später sogar auf das Gymnasium gehen wenn er diese Defizite unter Kontrolle bekommt.
Er würde ihn am liebsten stationär schicken da man ihn da besser fordern und fördern könnte.
Ich bin da aber skeptisch da er doch recht sensibel ist und von mir noch nie länger getrennt war, und wenn es mal länger als 1 Nacht war, hatte er wenigstens eine andere vertrauensperson um sich. Zudem kam es sehr selten vor.

Nun war es doch ausführlicher als gedacht. Kurzum vermutlich hat mein Junior ADHS , zudem ist er stark kurzsichtig. Ob da noch mehr ist läßt sich warscheinlich erst nach dem Endberich der Therapeuten sagen.

SOviel erstmal von unserer kleinen Familie

lg Lia
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Tina Tessy
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Re: Hallo wir sind es.

Beitrag von Tina Tessy » 16. Mai 2017, 20:14

Hallo Lia

Willkommen im Forum!
Mit Druck können die meisten Menschen nicht umgehen und fördert nicht wirklich. Also, versuch dich nicht unter Druck zu setzen, ich weiß es klingt einfacher als es ist.
Was toll ist, wie du schreibst, hat er mit den verschiedenene Therapien Fortschritte gemacht!
Ich bin kein Arzt, doch wären die gewisse Symptome unter Anderem auch bei ADHS. Ich bin ADHS-Coach und da gibt es gute Möglichkeit Fertigkeiten anzutrainieren, wie Konzentration, Ausdauer und Aufmerksamkeit.
Da ich nicht weiss, wie stark ausgeprägt und störend für die Klasse ist, kann ich nicht beurteilen ob stationär die beste Lösung ist. Falls ADHS diagnostiziert wird, erkundige dich doch, welche Therapeuten und Coaches bei euch sind. Das "gute" ist, dass es vor 9 Jahren entdeckt wird, so werden die Kosten von der IV übernommen (in der Schweiz zumindest).
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Lia
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Re: Hallo wir sind es.

Beitrag von Lia » 17. Mai 2017, 20:26

Danke Tina

Ja mit Druck kann weder ich noch mein Sohn umgehen. Er wird dann frustiert und bekommt ein Wut bzw "Ich bin bockig" anfall und ich geh auf Abwehr.
So wie die Schule über ihn spricht und mir auf die Nerven geht ( klingt hart aber so empfinde ich das, wenn man jeden 2 Monat zum Elterngespräch zitiert wird nur um Rede und Antwort zu stehen ob man den schon was gemacht hätte) steht er da als wäre er ein Störenfried.

Er weiß sich oft nicht angemessen zu verhalten. Wegen ihm kommt es häufig zu Konflikten. Ständig Wutausbrüche.
Ich soll ihn im Sportverein anmelden, ich soll mit ihm zum Therapeuten und Logopäden. Ich soll mal über eine Mutter-kind-kur nachdenken. Und natürlich wollen sie dann ständig erfahren ob und was wir den schon gemacht hätten und was dabei heraus gekommen ist.

Das er ein sehr liebevoller, höfflicher, aufgeschloßener herzlicher Bub ist wird dabei übergangen. Ich finde man sollte , vor allem bei einem Kind, das Gesamtbild betrachten und nicht ständig nur auf die negativen Punkte stechen.

Mir geht das ziemlich auf die nerven und ich hab das Gefühl mich und vor allem mein Kind in Schutz nehmen zu müßen. Und das gegenüber den Personen die täglich mit ihm zu tun haben und von welchen ich ein wenig mehr Weitsicht und Einfühlungsvermögen erwarte. Sie sind Lehrer, Erzieher und haben nicht erst seit gestern mit Kindern zu tun. Und mein Sohn ist sicherlich auch nicht der Erste der gewisse Defizite hat.

Entschuldige aber das mußte ich gerade mal los werden.

Ergo und Logo haben wir im Ort, Ansonsten haben wir nix wirkliches da, leider.
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Beatrice
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Re: Hallo wir sind es.

Beitrag von Beatrice » 17. Mai 2017, 21:11

Liebe Lia

Herzlich willkommen im Forum. Darf ich fragen, wie hoch die Kurzsichtigkeit bei Deinem Jungen ist? Bei mir waren es Minus 23 Dioptrien beidseits - und bis man es beim Augenarzt auch endlich merkte, vergingen 4! Jahre. Je länger ein stark kurzsichtiges Kind ohne adäquate Sehhilfe aufwächst, umso weniger kann es angemessenes Verhalten abgucken. Kinder lernen sovieles vom Zuschauen, aber wenn sie kaum bis zur Nasenspitze sehen können, dann geht das natürlich nicht. Da summieren sich Defizite, die es sonst nicht gäbe. Fein-und grobmotorisch sind hochgradig kurzsichtige Kinder meist schlechter dran als die ganz blinden, bei denen man es gleich bei der Geburt merkt, dass sie nichts Verwertbares sehen.
Wie lange dauerte es bei Deinem Jungen, bis man seine Kurzsichtigkeit bemerkte?
Wenn nichts hinhaut, wie es soll und wie man will, dann wird man tobsüchtig - ich kenne das alles. Ich war ein liebes, hilfsbereites Kind, aber ich konnte nichts wie andere. Und das macht einen innerlich so wild. Und wegen der Sehbehinderung ist man meist auch langsamer als andere, man kommt dem Tempo der anderen beim besten Willen nicht nach und da er offenbar geistig sehr weit ist und sich allem bewusst ist, wird er noch mehr Frust haben.

Es ist himmeltraurig, dass Lehrer heute bei so vielem kein Verständnis zeigen - da hatte ich es früher, in den 1970-er Jahren besser. Da gab es kein Tamtam, man vergrösserte mir die Arbeitsblätter auf A3 und fertig.
Kann Dein Kind in eine "normale" Schule oder ist das eine Sehbehindertenschule? Und bist Du aus der Schweiz? Dann könnte ich Dir die visoparents-Elternvereinigung noch empfehlen.

Etwas vom Wichtigsten ist, dass Du Dein Kind in seinem Talenten bestärkst und nicht dauernd auf die Defizite abzielst. Er wird immer wieder merken, dass er anders ist, doch es ist so wichtig für alle Menschen zu wissen, ganz tief innen, dass man geliebt wird, wie man ist. So, wie Du schreibst, dass Du denkst, Du müsstest Dich rechtfertigen - Versuch blöde Blicke oder Kommentare an Dir abperlen zu lassen, wie an einer Ölkleidung - Dein Kind muss spüren, Du stehst hinter ihm (ausser wenn er wirklich "saublöd" tut, wie Kinder das halt machen - praktisch alle, auch ohne AHDS, im Rahmen der normalen Erziehung - aber sonst, viel loben, was er gut macht oder einfach ihn spüren lassen, dass Du ihn lieb hast - damit bestärkst Du ihn.

Viele liebe Grüsse

Bea
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Lia
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Re: Hallo wir sind es.

Beitrag von Lia » 18. Mai 2017, 16:13

Hallo Bea.

So stark ist es bei ihm nicht. Festgestellt wurde es mit 5, dann bekam er auch seine erste Brille ( kurz bevor er 6 wurde) . In der Schule sprach mich dann die Lehrerin an das sie das Gefühl hätte er würde nicht so gut erkennen was an der Tafel steht.
Entsprechend versuchte ich nochmal einen Termin zu bekommen was ewig dauerte. Zudem saß er die ganze Zeit in der letzten Reihe, was ich für einen Brillenträger sowieso nicht gut finde.

Er hat jetzt rund -6 pro Auge. Was sich auch mit Brille nicht 100% ausgleichen läßt, so die Augenärztin. Mir macht das Sorgen das er in dem Alter schon so stark kurzsichtig ist. Ich selbst bin auch kurzsichtig. - 9 pro Auge. Nur hat sich das bei mir erst in all den Jahren so verschlechtert.
In seinem Alter war ich noch nicht bei einer solchen Dioptrien Zahl.

Entschuldige für dich muß das vermutlich lächerlich klingen. Im Vergleich zu deinem Wert.

Was die anderen Dinge betrifft. In der Regel ist er nicht dabei wenn ich das Gefühl bekomme ihn verteidigen zu müßen. Da ich es möglichst vermeide das er solche Gespräche mit bekommt.
Läßt sich nicht immer verhindern aber meistens. Ich achte auch in der Erziehung darauf das ich ihn nicht besonders behandel.
Gerade im Umgang mit gleichaltrigen versuch ich teilweise absichtlich wegzusehen. Den er lernt am ehesten von anderen Kindern seines Alters. Nämlich daran wie sie reagieren.

Und solange er nicht gewalt erfährt ist das auch ok.

Edit: Fast vergessen. Ich bin nicht aus der Schweiz. Wir leben in Sachsen.
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Tina Tessy
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Re: Hallo wir sind es.

Beitrag von Tina Tessy » 21. Mai 2017, 21:19

Liebe Lia

Es ist schön zu hören, wie du deinen Sohn siehst! Das er ein sehr liebevoller, höfflicher, aufgeschloßener herzlicher Bub ist. Du hast Recht, man sollte das Gesamtbild betrachten und nicht ständig nur auf die negativen Punkte stechen. Ich erlebe Eltern die nur noch die Probleme sehen und das Kind absolut aus den Augen verlieren.
Doch möchte ich dich ermutigen die Vorschläge der Erzieher auszuprobieren. Ich weiss nicht wie viel du schon ausprobiert hast und möchte dir auch nicht zu Nahe treten.
Doch sehe ich, dass es Dir ein Anliegen ist und du dein Kind wirklich liebst. Erziehung alleine kostet viel Kraft und ein Kind mit viel Aktivität noch mehr. Deshalb wünsche ich dir ganz besonders viel Kraft.
Ein Fussballprofi wird nur durch Training gut. Die Einen müssen mehr trainieren und die Anderen weniger um ans Ziel zu kommen.
So ist es auch mit einem ADHS-Kind. Es braucht nur ein bisschen mehr Training :wink: Und dass darfst du ihm ermöglichen.

Ich hoffe es hilft dir ein bisschen
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orphan
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Re: Hallo wir sind es.

Beitrag von orphan » 29. Juli 2018, 11:43

Hallo Zusammen
Der Bericht ist zwar schon alt … aber ich hätte da eine Frage an Tina. Du schreibst, dass du ADHS-Coach bist …

Wenn ein Kind ADHS hat, braucht es mehr Training … das ist so. Aber was ist, wenn das Kind Erwachsen wird? Der Druck zu gross wird? Die Gesellschaft einem erdrückt und man Depressionen, Ängste etc. entwickelt? Reicht da "ein bisschen mehr Training" auch? Ist man in der Lage, wenn man mittendrin steckt, (noch) mehr zu geben? Irgendwann wir man müde immer "mehr" als andere Menschen zu geben und dann?!?
"Ein bisschen mehr Training" kann für einen ADHS-Betroffenen auf Dauer eine sehr, sehr belastende Methode sein.
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Tina Tessy
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Re: Hallo wir sind es.

Beitrag von Tina Tessy » 30. Juli 2018, 11:56

Hallo Orphan,

Bei Zwängen, Ängste und Depressionen macht es Sinn einen Facharzt aufzusuchen und Medikamente verschreiben zu lassen.
Trotzdem macht es Sinn ein ADHS-Training parallel zu machen. Im Training geht es auch mit schwierigen Situationen umzugehen. Der ADHSler hat Mühe, besonders in schwersten Situationen, Prioritäten zu setzen. Der Coach hilft die Baustellen mit dem Klient aufzuzeichnen und erarbeitet mit ihm zusammen wie man die Situationen/ Probleme bewältigen kann. Dadurch dass der Coach ihn begleitet, wird oftmals auch den Druck und die Last ein wenig genommen, da der ADHSler nicht alleine mit seinen Problemen gelassen wird.
Doch bei einer schweren Depression braucht es zuerst eine medikamentöse Behandlung, da der Klient nicht fähig ist aus diesem Loch zu kommen.
„Mehr“ Training macht keinen Sinn. Ein wöchentliches Setting ist in solchen Momenten ausreichend. Falls die Person mehr braucht, vorallem wegen den Ängsten/Depressionen, dann macht eine stationäre Behandlung mehr Sinn.
Ein Training ersetzt nie eine ärztliche oder psychiatrische Behandlung, welche bei Depressionen, Ängsten und Zwängen nötig wären.
Ich hoffe ich konnte dir mit meiner Antwort dir weiterhelfen
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Re: Hallo wir sind es.

Beitrag von orphan » 30. Juli 2018, 12:25

Hallo Tina
Danke für deine Antwort.
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Re: Hallo wir sind es.

Beitrag von Tina Tessy » 9. Dezember 2018, 03:07

Sorry, ich habe deine Nachricht erst jetzt gesehen.
Ich bin kein Facharzt, nur Coach.
Ich bin der Meinung, dass bei einer Depression nach ICD-10 immer eine Fachperson notwendig ist. Diese kann den entscheiden ob eine ambulante oder stationäre Behandlung.
Vielleicht habe ich mich zu wenig klar ausgedrückt. Bei einer sehr schweren Depression, wo die Betreuung engmaschig sein muss, dann macht eine stationäre Behandlung mehr Sinn.
Zum einen können sie die Medikamenten richtig dosieren, einen Tagesablauf und Struktur wieder herstellen, bei suizidgefahr eingreifen, und Gespräche anbieten, etc.
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Re: Hallo wir sind es. (ADHS und sehr starke Kurzsichtigkeit)

Beitrag von Lia » 11. Februar 2021, 21:04

Lang ist es her doch will ich mich nochmal zurück melden.

Neben ADHS (und seiner Sehschwäche) Wurde noch eine Störung im emotionalen und sozialen Bereich festgestellt. Es ging dann erstmal wieder weiter mit Ergotherapie. Logopädie aufgrund fehlerhafter Aussprache (hat er bei S und Sch Lauten immer noch) bekam er nicht , der Arzt meinte das wäre nicht nötig das schafft er auch so.
Neben Intigrationsunterricht von Jemand aus einer Förderschule lief der Schulaltag sehr wankelmütig. Aber er fand etwas Ruhe im Schulchor, war mit diesem auch mal auf einem einwöchigen Ausflug. Also es geht mit den richtigen Betreuern durchaus.

Inzwischen geht er in die 5 einer normalen Oberschule und es gab da auch gleich wieder Probleme. Klar die Klasse musste natürlich erstmal zusammen wachsen, aber er fiel schon auf. Biss auch mal ein Kind was es eigentlich nur gut meinte, es gab großes trara als er daheim mal unter Tränen sprach er wünschte sich tod zu sein weil die Kinder ihn mobben.
Am Ende stellte sich heraus es war nicht so schlimm wie gedacht. Die Schule hat schnell reagiert und sich die Kinder einzeln ran gezogen, deren Aussagen wahren nahezu identisch, und danach der Spuk auch vorbei.

Der Lockdown und der damit verbundene Home Unterricht hingegen stresst uns ennorm. Er trödelt viel und tut sich sehr schwer mit den Schulsachen und ich steh mehr oder minder daneben weil, wenn ich helfe geht es auch nicht schneller oder r bekommt ein Wutanfall , wenn ich Druck mache hilft es ihm auch nicht.
Ich bin nur noch genervt von dem Ganzen.

Soviel erstmal wieder von uns.

Ach ja. Er geht, theoretisch, regelmäßig zur Psychotherapie. Halt abhängig wie das mit den Terminen klappt.
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Re: Hallo wir sind es. (ADHS und sehr starke Kurzsichtigkeit)

Beitrag von Beatrice » 11. Februar 2021, 23:44

Liebe Lia

Schön, dass Du meiner Einladung zu einem Update gefolgt bist. Ich kann Dir die Belastung nachfühlen, die es aktuell gibt wegen Corona, Home-Schooling und dem ganzen Rattenschwanz, der da hinten dran noch kommt.

Ist die Kurzsichtigkeit bei Deinem Sohn stärker geworden oder stabil geblieben auf dem bekannten Niveau?

Ich glaube, ich kann auch seinen Frust nachfühlen. Die Kurzsichtigkeit als solches macht langsam, weil man einfach länger braucht, um gewisse Abläufe abzugucken, einzuschätzen oder Zusammenhänge zu erkennen. Er kann möglicherweise wie ich keine Gesichter lesen, weil er sie einfach nicht sieht auf die Distanz. So manches aus der Körpersprache bleibt ihm einfach verborgen. Schon das allein kann ganz viele Missverständnisse hervorrufen. Man hört einen kichern, vielleicht flüstern und denkt, der sagt sicher was böses über mich. Dabei guckt der vielleicht in eine ganz andere Richtung und meint auch einen andern - nur, das sieht er nicht.
Dann ist er unsicher in sich selbst, zugleich hat er noch ein ADHS, ist von Grund auf weniger konzentriert und unruhig -mich dünkt es logisch, dass seine Nerven durch seine beiden Voraussetzungen des Schlecht-Sehens und des ADHS immer zum Zerreissen gespannt sind. Er hat wohl keine Geduld mit sich selbst und auch nicht mit anderen, denn diese Geduld wird quasi die ganze Zeit hart auf die Probe gestellt.
Auch ich habe 2 mal ein Kind gebissen, als ich selber noch Kind war - einer davon war mein Bruder, der alles besser konnte als ich obwohl er drei Jahre jünger war - das gab so einen Frust, fast eine Mordswut.
Das 2. Mal biss ich einen Jungen, der mich immer ärgerte wegen der dicken Brille - ich konnte mich nicht anders wehren, denn wenn ich versucht hätte, ihm eine zu kleben (so wie das andere machten), ging das immer schief, denn ich konnte die Distanz zu seinem Gesicht bzw. seinen Ohren gar nicht einschätzen -und er wäre sicher längst ausgewichen. Beissen war weit effizienter - gab aber auch Ärger.

Gibt es denn etwas, was er richtig gut kann - oder richtig gerne tut? Etwas, wo er gerne dran bleibt, sich verweilen kann und wo für einmal niemand wertet, bzw. nur dauernd abwertet, dass er es nicht gut genug macht. Ich glaube, so ein Hobby wäre ganz wichtig, damit er auch Selbstvertrauen aufbauen kann. Ich hatte ein Gärtchen, schon im Kindergarten. Ich hatte aber kein ADHS sondern nur ein POS, ich konnte stundenlang im Garten verweilen, die Ameisen beobachten (wenn wir hochgradig kurzsichtigen ganz nahe an die Ameisen rangehen (dass sie uns fast auf die Nase hüpfen können - dann sehen wir sie so gross als hätten wir ein Mikroskop - wir können den Ameisen und anderen Kleinstinsekten buchstäblich in die Augen schauen - aber auch grosse Tiere haben meist eine gute Wirkung auf Kinder mit Beeinträchtigung.

Ich kenne einen Jungen mit ADHS, einem ganz schweren ADHS, der ist quasi ein Kuhflüsterer - Kühe haben nicht gerne nervöse Gestalten. Wenn er auf diesem Bauernhof hilft, bzw. wenn er bei den Kühen ist, merkt keiner, dass er sonst den ganzen Tag wie unter Strom steht und keine Sekunde still sitzen kann - oder stehen. Dann ist er die Ruhe selber.
Er konnte eine Weile aus seiner Schule hinaus und in eine Art Time-out gehen, auf dem Land, reizfrei sozusagen. Das tat ihm so gut, dass er heute wieder in der Schule sein kann, ruhiger -und in jeder freien Minute fährt er auf den Hof und hilft dem Bauern. Und dieser freut sich inzwischen ehrlich, wenn der Junge kommt und er hat viele lobende und dankbare Worte für ihn, was dem Buben gut tut (und im Übrigen auch dem Bauern, denn dieser, so sagt seine Frau, war nicht gerade ein Mann der grossen und freundlichen Worte, bis zu dem Tag, an dem er den Buben in seiner Kuhweide entdeckte und merkte, was der für eine Wirkung auf seine Kühe hat)

Diese Äusserung, er wünschte, er wäre tot, aus ihr spricht schon eine grosse Verzweiflung oder einfach ein Gefühl, dass einen niemand mag, niemand versteht. Gut, dass in der Schule so prima drauf reagiert wurde. Ich wünsche Deinem Jungen sehr, dass sich etwas finden lässt, worin er aufgehen kann, wo er seine Fähigkeiten, die er gewiss hat - aber vielleicht noch nicht entdeckt hat, einbringen kann . Damit er ein Selbstwertgefühl entwickelt und sich selber mögen lernt, so wie er ist.

Mit einem herzlichen Gruss

Bea
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Re: Hallo wir sind es. (ADHS und sehr starke Kurzsichtigkeit)

Beitrag von Lia » 12. Februar 2021, 01:59

Ich wünschte er hätte etwas was er super gern macht oder kann. Würde ich ihn fragen würde er sich für sein Gameboy oder Fernseher entscheiden.
Den gibt es bei uns nach Plan. Also es gibt Tage da gibt es nichts von Beiden und an Anderen Tagen darf er dann wieder.
Er entscheidet wann und ich lege nur die Anzahl der freien Tage fest.

In den Chor wäre er sicher gern wieder gegangen, aber da der zu wenig Interessenten hatte gibt es keinen.
Sonst ging er nach der Schule gern zum Jugendtreff und hatte dort auch regelmäßig kochen als außerschulische Aktivität.
Und eigentlich sollte er auch zum Schwimmunterricht, das sollte aber erst im zweiten Halbjahr anfangen...

Ich hoffte er würde mehr Interesse an seinem Lego fassen,aber wenn er die Wahl hat entscheidet er sich lieber für den Fernseher und schaut da Pokemon oder Super Mario

Leider bietet die Umgebung hier nicht viel Möglichkeiten und jetzt durch den Lockdown...naja

Das Problem ist das diese Äußerungen auch aus Trotz schon getroffen hat, er sollte etwas machen, wollte nicht und fing dann damit an.
Oder versucht seinen Vater auf seine Seite zu ziehen.

Heut so gegen 22 Uhr etwa rief sein Vater (Wohnt ein haus weiter) mich an und erklärte mir der Kleine wäre bei ihm und völlig fertig. Eine Stunde vorher war er noch gut gelaunt zu Bett gegangen.
Er hat sein Schulzeug mitgenommen und ist aus dem Fenster geklettert und das bei Schnee und im Dunkeln.
Und das nur weil er heute früh heimlich fernseher geschaut hat, dabei ein Abo abschloss (Prime hab da so eine box) und ich ihn paar Stunden später erwischte.
Als Konsequenz sagte ich ihm es gibt erst wieder Fernsehen wenn er seine Schulaufgaben erledigt hat. (Da hing er seit Montag) Und er die Abokosten vom Taschengeld zahlt. (was ich gleich wieder gekündigt habe es sich also im Rahmen hält)

Sein Vater zieht natürlich nicht mit mir an einem Strank sondern versucht sie selbst da durchzuwuseln. Nicht hilfreich.

Jetzt muss ich nicht nur so das hinbekommen und ihn ständig wegen der Schulsachen nerven sondern auch noch Sorge haben das er jedes Mal wenn wieder etwas ist einfach aus dem Fenster abhaut.

Kann ihn doch schlecht anbinden. Er raubt mir wirklich noch den letzten Nerv.
Das sind so Momente wo ich darüber nachdenke ob eine Pflegefamilie oder Heim nicht doch besser für ihn wären. Ich würde mir das nicht verzeihen aber fühle mich so hilflos.

edit: ja die Sehschwäche liegt noch bei -6
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Re: Hallo wir sind es. (ADHS und sehr starke Kurzsichtigkeit)

Beitrag von Beatrice » 12. Februar 2021, 20:49

Liebe Lia

Ui, das tönt nach vielen Machtkämpfen und leider auch manipulativen "Spielchen" sozusagen ein Männer-Komplott gegen Dich. Eine schwierige Situation. Vermutlich ist er auch so langsam in der aufmüpfigen, pubertären Phase, die ja "normal" ist, aber überborden kann. Du wärst nicht die erste Mutter, die irgendwann kapitulieren muss -im Sinne von entweder zerbrechen wir als Familie alle -oder wir lassen den Jungen mal eine Weile woanders leben, damit ein späteres Zusammenleben wieder besser klappt.

Als der besagte Junge (oben) in dem TimeOut war, musste er auch dort wohnen. Kontakt zu Zuhause war die ersten Wochen ganz untersagt. Das bringt so manche wieder auf den Gedanken, dass das Zuhause halt doch was Schönes ist, auch wenn sie zuvor rebellieren dagegen und gegen die dort geltenden Regeln.

Würde denn Dein Mann Deinen Jungen auch länger nehmen? Ich vermute, Du hättest Angst, dass er ihn komplett verzieht, doch wenn er ihn täglich hätte, denke ich, er würde auch merken, dass man den Jungen nicht immer tun und lassen darf, was dem gerade behagt.

Eine befreundete Mutter setzte sich an einem Abend ganz direkt mit ihrem damals erst 8jährigen Jungen zusammen und sagte ihm: Wenn Du weiter so tust, wie jetzt, dann muss ich Dich weggeben. Dann reklamiert die untere Nachbarin wegen dem Lärm, den Du hier immer veranstaltest mit Gebrüll, wenn was nicht passt und dann kommt die KESB (Kinder-und Erwachsenenschutzbehörde der Schweiz) und nimmt Dich mir weg, ob ich will oder nicht! Willst Du das?

Ein Kind will praktisch NIE weg von seinen Eltern - der Kleine wollte auch nicht, besann sich aber in den folgenden Wochen immer darauf, wenn er wieder versucht war, ein Riesentheater zu machen. Manchmal entgleist es ihm doch, aber nicht mehr tagtäglich wie vorher. Insgesamt sind sie ein besseres Team geworden, auch wenn er immer noch streng ist sagt die befreundete Mutter.

Dein Sohn ist jetzt älter. Du kennst ihn gut. Ich weiss nicht, ob es praktikabel wäre, mit ihm mal ernsthaft zu reden und ihm zu sagen, dass Du bald nicht mehr kannst, dass, wenn er so weitermacht, es Dich irgendwann zusammen legt (Nervenzusammenbruch und dergleichen) und dass er dann in ein Heim müsste. Du würdest Dir das nie verzeihen, aber manche Dinge hat man nicht mehr in der Hand, wenn die Verzweiflung schon so gross ist. Dann ist es besser, die Notbremse zu ziehen. Ein Timeout, bzw. ein Aufenthalt in einer anderen Familie auf Zeit, muss einen nicht zwingend trennen -man kann sich auch näher kommen, danach, wenn das rebellierende Kind eingesehen hat, dass es nicht so klug gehandelt hat.

Es ist schade, dass es keinen Chor mehr gibt - Singen hat was Ausgleichendes, Besänftigendes und zugleich werden positive Energien freigesetzt, was eine Zufriedenheit schenkt, die einfach gut tut. In der Schweiz gibt es sehr viele Kinder - oder Jugendchöre aller Richtungen von Jodeln über Kirchenchor, Musicalchor, TenSing undundund.
Ich möchte meinen, es fände sich vielleicht bei Euch auch ein anderer Chor - nur vorderhand darf ja eh keiner mehr singen.
Grundsätzlich kann man natürlich auch alleine singen, für sich, im Zimmer.

Ich spüre gut durch Deine Zeilen, dass es eine ganz vertrackte Situation ist -und vor allem, dass es ihm einfach gelingt, aus dem Zimmer auszubüxen, ohne dass Du das merkst -und da der Vater da auch noch mitspielt, statt ihn auf der Stelle wieder zurück zu schicken.

Ich hoffe, es melden sich noch andere, die das Problem evtl. noch im Verhältnis 1 zu 1 und einen guten Vorschlag haben

Liebe Grüsse

Bea
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