Beatrice - sehbehinderte Leseratte/ eigene Texte

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Flavia
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Beitrag von Flavia » 30. Januar 2010, 20:54

Hallo Bea

Schön dass alles gut gegeangen ist!! Wünsche dir noch gute Genesung!! LG Flavia
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CéliNico
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Beitrag von CéliNico » 31. Januar 2010, 08:48

Liebe Bea,

freut mich sehr, dass die OP so gut verlaufen ist. Hoffe du bleibst jetzt endlich verschont von weiteren Krankheiten oder OP's.
Schau' gut zu dir.
Schön dass du immerhin im Forum mitlesen und schreiben kannst dank der Sprachausgabe.
Wünsche einen schönen Sonntag!
LG Daniela
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Beatrice
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Beitrag von Beatrice » 14. Juni 2010, 16:29

Hoi zäme

Ich habe wieder einmal einige Erfahrungen, die ich mit Euch teilen möchte.
Erfahrungen allerdings, die für die meisten von Euch, bzw. Eure Kinder noch zu früh sind, denn es geht um Eingliederung ins Berufsleben.

Wie Ihr ja weiter oben lesen konntet, war ich gezwungen, wegen fortschreitender Sehbehinderung meinen Beruf zu wechseln .Von Oktober 2006 - April 2008 war ich in der Sehbehindertenhilfe Basel zur blindentechnischen Umschulung. Dort lernt man hauptsächlich die Punktschrift, PC-Bedienung ohne Maus mittels Tastenkombinationen, Handhabung der Hilfsmittel (Voice-Tracer, Milestone, Lesegerät, Zoom-Text oder JAWS, FineReader usw.)
Von April 2008 - März 2010 habe ich nun den Lehrgang zur Erreichung des Kaderdiploms (begonnen im Technischen Kaufmann-Kurs) mit Erfolg absolviert. Ein Erfolg, den ich mir hart erarbeitete. Der Notenschnitt von 5,4 ist mir nicht in den Schoss gefallen. Ich erhoffte mir damit bessere Integrationschancen, aber auch, dass die IV mir noch einen Sachbearbeiterkurs ermöglicht, denn diese sind wirklich noch gesucht auf dem Stellenmarkt.
Diese Hoffnung wurde durch meine IV-Beraterin jäh zunichte gemacht am 23. Februar 2010 Man zahle mir nichts mehr, ich sei eh schon überqualifiziert mit dem Kaderdiplom und würde es mit meiner Sehbehinderung doch nicht weiter bringen als bis zur einfachen Bürohilfe. So eine Frechheit und total motivierend, findet Ihr nicht?
Eine Eingliederungshilfe von der IV bekäme ich auch nicht -sie seien eh schon überlastet im Moment und Sehbehinderte liessen sich ohnehin schlecht eingliedern.
Eine ähnlich lautende Antwort hatte ich schon im November 2009 von ihr bekommen, als ich mich erkundigte, wie das denn laufe, wenn ich im Praktikum Hilfsmittel brauche. Erst antwortete sie gar nicht, dann nur mit vagen Antworten wie Wahrscheinlich wird das und das passieren und es sei früh genug, wenn ich melde, wenn ich eine Praktikumsstelle hätte, was ja unwahrscheinlich sei, dass ich eine finde.

Ich fand aber doch eine, übers RAV. Diese unterhalten in der Schweiz 44 sogenannte Praxisfirmen (früher nannte man diese Scheinfirmen) In diesen Firmen macht man alles, was in einem ganz normalen Büro für Arbeiten anfallen, nur dass weder Geld-noch Warenfluss stattfindet.
Das ist die super Chance für mich, die vorher nur büroferne Praxis gebüffelt hat (Management (BWL), Führung, Recht, Organisation, VWL, Marketing und solche Sachen, zum Glück noch etwas praxisnäher Buchhaltung)

Diese Stelle habe ich seit dem 20. April 2010, jedoch bis heute noch keinen Tag gearbeitet. Das liegt nicht an mir, sondern daran, dass die Hilfsmittel von der IV ewig lange nicht gesprochen, heisst bewilligt wurden.

Es ging vieles schief. Meine Beraterin, dieselbe, die das sagte mit der Überqualifizierung, machte sich nicht sonderlich Mühe mir korrekte Angaben über das Vorgehen zu machen, wenn es darum geht, einen Antrag für die Hilfsmittel am Praktikumsplatz zu stellen.
Sie schrieb mir, ICH müsse einen Antrag schreiben und plausibel erklären, warum ich diese Hilfsmittel (22 Zoll-Bildschirm, nötig wegen Vergrösserungsprogramm ZoomText, Bildschirmarm und Leseständer) benötige. Es gäbe keinen klaren Regeln oder Vorschriften, was darin stehen müsse.
Ausserdem teilte sie mir noch mit, an wen ich den Antrag zusammen mit einem Kostenvoranschlag der Access-Tech senden müsse.
Tönte ja alles ganz einfach und ich schickte den Kostenvoranschlag, den mir die wirklich famose Firma AccessTech schon einen Tag nach Bestellung zusandte, zusammen mit dem selbstformulierten Antrag also an besagte Dame, am 26. April per A-Post.
Angekommen ist er aber erst am 28. bei der richtigen Person (das erfuhr ich am 10.Mai am Telefon), denn diese Beraterin hat mir einen falschen Namen der zuständigen Person geschrieben und der Brief war als Irrläufer in der IV rumgegangen, bis er am 28. zu der richtigen Person kam. Ein Eingangsbestätigung oder sonst ein Zeichen bekam ich aber nicht.
Am 10. Mai telefonierte ich, weil ich gar nichts hörte, man habe mir einen Brief geschrieben schon am 5.Mai (er war zum Zeitpunkt des Telefons aber noch nicht bei mir) Es fehle in meinem Antrag noch eine Eignungsabklärung und Bestätigung für die Hilfsmittel, das müsse ich noch senden.
Davon hatte mir meine Beraterin gar nichts gesagt, sie ist aber insofern „aus dem Schneider“ als dass auch AccessTech, die Sehbehindertenschule Basel und ein Präsident einer Sehbehindertenorganisation nur Bahnhof verstanden, als ich ihnen wegen dieser kuriosen Eignungsabklärung anfragte, was denn jetzt zu tun sei.

Irgendwie brachte Access-Tech dann die Sache ins Reine, jedenfalls hörte ich wieder ganze 3 Wochen gar nichts von der IV. In dieser Zeit erfuhr ich aber unter anderem von der Sehbehindertenschule in Basel und dem Präsidenten der Sehbehindertenorganisation, dass Hilfsmittelanträge nie von der invaliden Person geschrieben würden, sondern von einer Fachstelle, z.B. OBV St.Gallen, da es darin Bezugsnahmen auf Verordnungen und Kreisschreiben brauche, von denen ein betroffener Mensch ja gar nichts wissen könne. In der Tat hat mein Antrag gar nichts davon enthalten. Er hätte keine Chance, bewilligt zu werden, meinten alle.
Super! Ich war einmal mehr so wütend auf meine Beraterin, die diesen Namen wirklich nicht verdient, und dabei schrieb die mir damals noch, sie habe sich informiert, wie ich vorgehen müsse. Möchte nur wissen, bei wem.

Dann kam noch so ein unerfreuliches Telefon mit dieser IV am 28. Mai 2010 und es lupfte mir den Deckel. Der Anspruch müsse geprüft werden. Warum? Er ist doch bereits gegeben, was muss man denn da noch prüfen? Mein Anspruch sei bombensicher vorhanden, sagten mir alle, die draus kommen von der AccessTech, über SBH Basel, Sehbehindertenorganisation bis zu vielen Freunden und Bekannten mit Sehbehinderung, nur wann der Antrag genehmigt und die Hilfsmittel gesprochen würden, das sei in der IV so eine Sache.
Da ich der Meinung bin, dass man Leute, die einen Arbeitsplatz oder Praktikumsplatz auf sicher haben, prioritär behandeln muss, habe ich schliesslich nach dem unerfreulichen Telefon einen Brief an die Regierungsrätin unseres Kantons geschrieben, in der Hoffnung, dass sie mich unterstützt. Der Brief war im Ursprung gar als Leserbrief für die Zeitung gedacht.
Leider, um es vorweg zu nehmen, ergreift die Regierungsrätin in ihrem Antwortbrief vornehmlich Partei für die IV und anerkennt nicht, dass in der langen Bearbeitungszeit gerechtfertigter Anträge mit bereits gegebenem Anspruch, weit mehr Gelder sinnlos verschleudert werden, als die Hilfsmittel kosten würden!

Ich kopiere Euch unten den Wortlaut meines Briefes hinein:


Sehr geehrte Frau Regierungsrätin Hilber
Ich möchte mit diesem Schreiben einfach einmal klarmachen, wie schwer es einem motivierten Menschen gemacht wird durch die IV, sich wieder ins Arbeitsleben zu integrieren und ich frage mich, ob es wirklich normal ist, Leute so lange warten zu lassen?
Ich hoffe, Sie finden Zeit, meine Erfahrungen zu lesen.


Re-Integrationsfeindliches (Nicht-) Handeln der IV St.Gallen[/size]

Wegen eines angeborenen Augenleidens musste ich meinen ursprünglichen Beruf der Verkäuferin leider aufgeben, da die Sehkraft zunehmend schlechter wird. Von Oktober 2006 bis April 2010 habe ich diverse Fortbildungen gemacht, die es mir letztlich ermöglichen, mit speziell vergrössernden Hilfsmitteln in einem Büro zu arbeiten. Den Lehrgang des Kaufmännischen Kaderdiploms habe ich mit Erfolg abgeschlossen. Da ich aber bislang noch nie in einem Büro gearbeitet habe, fehlt mir jegliche Praxis. Eine Integration im freien Markt ist darum unter solchen Umständen noch nicht möglich.

Zum Glück gibt es Praxisfirmen, wo Neu-Einsteigerinnen wie ich, vom RAV unterstützt, die nötige Praxis für das Arbeitsleben draussen erlangen können. Ich habe seit dem 20. April die Zusage, dass ich dort per sofort anfangen könnte.
Doch, obwohl der IV bekannt ist, dass ich diese Sehbehinderung habe, werden die Hilfsmittel, die am Praktikumsplatz von mir benötigt werden, nicht automatisch und unbürokratisch als positive Massnahme rascher Integrationsmöglichkeit zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei um Hilfsmittel im Wert von knapp unter CHF 1900.- .
Das Prozedere: Man muss einen Antrag stellen, plausibel erklären, warum man ihn stellt und einen Kostenvoranschlag schicken. Dies habe ich umgehend, sobald ich davon erfuhr, am 26. April 2010 mit A-Post getan, in der noch kühnen Hoffnung, spätestens Mitte Mai mit der Arbeit beginnen zu können.
Diese Hoffnung erfüllte sich leider nicht, denn die Mühlen bei der IV St.Gallen mahlen langsam und kompliziert. (Eine sehbehinderte Kollegin von mir aus Appenzell indes bekam ihre Hilfsmittel innert 5 Tagen)
Am 10. Mai telefonierte ich mal, da ich einfach nichts hörte von der IV. Man teilte mir mit, ein Brief sei an mich unterwegs, denn ich hätte mit dem Antrag noch eine Eignungsbestätigung für die Hilfsmittel senden müssen (davon hatte mir meine IV-Berufsberaterin nichts geschrieben). Es nützte nichts, dass ich erwähnte, dass ich bereits seit 4 Jahren während der Umschulung und zuhause damit arbeite und dass es von der Sehbehindertenschule Basel als das Optimale für mich erachtet wurde.
Nachdem sich die Hilfsmittelstelle persönlich an meine Sachbearbeiterin Patricia Mettler wandte und ihr plausibel machte, dass so eine Eignungsbestätigung gewiss von Basel her im Dossier sei, erklärte sich diese bereit, nochmals das Dossier anzuschauen.
Kommenden Montag, 31. Mai 2010, sind bereits wieder 3 Wochen seit diesem Telefonat vergangen und ich habe wieder nichts gehört, geschweige denn, endlich die Hilfsmittel bewilligt und an den Praktikumsplatz geliefert bekommen.

Ein Glück nur, dass mir der Praktikumsplatz bei der Bears Trading AG in St.Gallen trotzdem noch immer und geduldig frei gehalten wird. Ein Arbeitgeber in der freien Wirtschaft jedoch wäre mit Sicherheit nicht gewillt und auch nicht in der Lage, so lange auf eine Arbeitnehmerin oder Praktikantin zu warten. Kurz, ich hätte bereits vor Stellenantritt wieder die Kündigung bekommen.

Dieses unnötige „In-die –Länge-Ziehen“ eines seriösen Antrags demonstriert für mich nur Desinteresse der IV und zeigt, dass ich in meinem Anliegen überhaupt nicht ernst genommen werde.

Wenn das bei allen so zugeht, die gerne in die Arbeitswelt zurückkehren möchten, kann das von der IV grossmütig formulierte Ziel „Eingliederung vor Rente“ in den Kamin geschrieben werden!

Was meinen Sie, liebe Frau …, ist ein solches Vorgehen wirklich normal und zweckmässig?

Wie erwähnt, findet die Regierungsrätin die lange Bearbeitungszeit von 5 Wochen durchaus normal, anerkennt aber formell meine Angst, wegen der langen Wartezeit die Stelle zu verlieren.


Dies ist Gottlob nicht geschehen. Am Mittwoch, 16.Juni 2010 habe ich meinen ersten Arbeitstag in der Praxisfirma
, nachdem der selbstgeschriebene Antrag, wider Erwarten doch noch, per 2.Juni 2010 genehmigt worden war. Damit ist er möglicherweise der 1. vom Klienten selbst geschriebene Antrag, der je genehmigt wurde


Liebe Grüsse sendet Euch allen

Beatrice, die sehbehinderte Leseratte
Zuletzt geändert von Beatrice am 28. Februar 2011, 23:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Joni » 17. Juli 2010, 17:41

Hallo Beatrice!
Jetzt habe ich mir gerade erstmal die Zeit genommen Deine Vorstellung zu lesen.
Da ich gerade gestern mit Arbeitskolleginnnen im Restaurant "Blinde Kuh" in Basel war, kenne ich wenigstens ganz kurz ( schon zum 2.Mal ) die Erfahrung nichts zu sehen. Das beschäftigt einen schon.
Wie läuft es an der neuên Arbeitsstelle.

Ich habe auch einen langen Kampft in der Schulzeit und Berufszeit hinter mir, da ich stottere. Ich habe aber das Gymnasium und die Altenpflegeschule abschliessen können und kann jetzt ohne IV-Rente als Nachtwache arbeiten.

Mein Mann bezieht seit 3 Jahren eine halbe iV-Rente. Erst musste er aber auch trotzdem 100% arbeiten, jetzt arbeitet er zeitmässig 80%.

Bei unserem muskelkranken Sohn werden wir ja noch sehen. Dort haben wir bis jetzt Gott sei Dank nur positive Erfahrungen mit der iV.

Weiterhin alles Gute

liebe Grüsse

Margot
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Beatrice
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Beitrag von Beatrice » 17. Juli 2010, 18:12

Liebe Margot und alle, die dies lesen

Inzwischen bin ich seit einem Monat zu derzeit 60% in der Bears Trading AG beschäftigt und es geht mir sehr gut dort. Ich bin im Personalwesen/Administration und lerne die praktischen Arbeiten dieser Abteilung sehr gut kennen.
Während in den ersten Tagen alles ein grosses Rätsel war (wie sollte ich je Stunden-und Präsenzliste auseinanderhalten lernen), bin ich heute schon geübter und mache meine Sache sehr gut, wie mir die Ausbildungsbegleiterin vergangenen Montag bestätigte.
Inzwischen arbeite ich bereits in der sog. scharfen Liste. Zu Anfang gibt es aber die Möglichkeit, in Übungsordnern zu arbeiten, bis man das Formular und die Funktionen kennt. Das ist alles ideal für mich, denn ich brauche Praxis, bis ein Ablauf sitzt. Ich finde das eine sehr gute Sache, vielleicht auch geeignet, um Eure besonderen Kinder, wenn sie grösser sind, praktisch ausbilden zu können
https://www.bears-sg.ch/

Wenn wir einkaufen, funktioniert das so, dass wir in ein Formular wie bei Katalogbestellungen üblich, die Artikelnummer, Einzelpreis und Gesamtpreis notieren. Wenn die Lieferung kommt, merkt man den Unterschied zur realen Firma, denn es kommen nur Papierschnipsel, auf denen der bestellte Artikel abgebildet ist. Wenn was anderes kommt, müssen wir reklamieren, wie im normalen Leben. Schlicht, es passiert alles wie real, nur ohne Waren und realen Geldfluss. Neben dieser praktischen Büroarbeit, haben wir die Möglichkeit/Pflicht, Kurse zu besuchen und auch ECDL-Computer-Prüfungen abzulegen, welche international anerkannt sind. 2 (Power Point und Outlook/Internet habe ich schon mit Erfolg bestanden)
Leider ist dieses ECDL-Prüfungsprogramm nicht kompatibel mit dem ZoomText, daher muss ich die Kurse und die Prüfungen normal schreiben. Ich krieche jeweils fast in den PC rein, aber es geht so grad knapp noch.

Ich bin sehr froh, dass es diese Möglichkeit mit dem Lernen in einer Praxisfirma gibt und dass ich einen Platz bekommen habe und er mir so lange frei gehalten wurde.

Ich grüsse Euch alle ganz herzlich

Bea
Zuletzt geändert von Beatrice am 4. April 2015, 20:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Joni » 17. Juli 2010, 18:15

Das klingt ja gut.
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Beatrice
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Beitrag von Beatrice » 21. September 2010, 21:29

Ich hatte am 6. September das Gespräch mit IV, RAV und derzeitigen Arbeitgeber (Chef Praxisfirma) und will Euch davon erzählen:

Wenn es nach der IV gegangen wäre, würde ich diese Nachricht bereits als anerkannte Vollrentnerin schreiben, hätte am Dienstag meinen Arbeitsplatz bei Bears räumen müssen und wäre per sofort beim RAV abgemeldet worden.

Dass ich heute bei Bears noch arbeitete, sogar als Protokollführerin in einer sehr vertraulichen Angelegenheit eingesetzt wurde, und auch künftig noch dort bin bis auf Weiteres, verdanke ich dem absolut positiven Feedback meines Chefs und der Ausbildungsbegleiterin, der Offenheit des RAV-Beraters und nicht ganz unwesentlich wohl auch meiner eigenen Intervention am entscheidenden Punkt. So wie ich es im Kurs „Blinde fahren Auto“ https://www.aargauerzeitung.ch/amp/aarg ... ld.1725346 am WE live geübt hatte, habe ich es auch im Gespräch im übertragenen Sinn getan: Ich habe das Steuer rumgerissen, weil ich nicht in der Opferrolle weiterleben wollte ohne alles getan zu haben, das Schicksal Vollrente abzuwenden.

Jedenfalls war meine Vorahnung leider richtig.Nachdem man mir schon verschiedentlich die Vorteile eines geschützten Arbeitsplatzes schmackhaft machen wollte (ohne Erfolg), lag der Schluss nahe, dass man mich berenten wollte.

Trotz des positiven Feedbacks, das die IV-Dame mit sehr manipulativen Rückfragen an mich, Herrn Hagen (Chef) und Frau Lutz zu (zer)-stören versuchte, kam die IV –Frau sehr rasch zu dem Punkt, mir die von ihnen gefällte Entscheidung mit „Bliebed Sie bitte sitze!“ zu präsentieren: Mir würde eine Vollrente zugesprochen, da man mich für nicht arbeitsfähig hält und dies sich schon länger abgezeichnet habe. Ich könnte dann an einen geschützten Arbeitsplatz gehen, auch da verdiene man ein bisschen etwas…

Obwohl ich intuitiv gewusst hatte, dass es so kommen würde, verschlug es mir zu Anfang fast die Sprache. Dann getraute ich mich zu sagen, so ruhig wie noch möglich, dass dies sehr unerfreulich sei für mich, dass ich mir einen anderen Weg gewünscht hätte und meinte, es gäbe ihn und ich würde in der Suche nach so einem Platz auch von der IV unterstützt. Es sei schon ein Schlag ins Gesicht für mich, nachdem ich mich in der Umschulung so sehr angestrengt habe - wozu wohl habe ich das alles auf mich genommen, wenn am Ende nur die Rente stehen bleibt?

In fast bitterem und eher beleidigten Ton (im Sinne von: Was sind Sie doch für eine undankbare Person), liess die IV-Dame verlauten, man habe es sich in der Entscheidung nicht leicht gemacht und auch darauf geachtet, mir dabei gerecht zu werden.
Und sie hätte mir ja auch immer wieder zu verstehen gegeben, dass ich nicht verpflichtet sei, die Ausbildung mit der Bestnote zu beschliessen. (Dem ist so, aber es ist nun mal nicht meine Art, etwas nur halbpatzig zu machen)

Da waren meine letzten Hemmungen dann halt gesprengt.

Ich frage Euch und fragte auch sie, wie die IV allen Ernstes denken kann, mir mit solch einer Entscheidung tatsächlich gerecht zu werden? Wo der Sinn der ganzen Büffelei liegt, warum sie mir überhaupt eine Umschulung ermöglichten, wenn von Anfang an für sie klar war, dass ich nicht fürs Berufsleben tauge? Ich hätte mir die Schulzeit weit angenehmer gestalten können und mich im Hinblick meines schwindenden Augenlichtes viel lieber den Schönheiten der Natur gewidmet, als Stunden und Aberstunden über Lehrbüchern zu brüten, wenn ich gewusst hätte, worauf das alles hinausläuft.
Ich fühle mich mit dieser Entscheidung der IV in doppeltem Sinne veräppelt. Zuerst gab man mir einen Notenschnitt im Vorkurs vor, den ich erreichen musste, damit ich in den Hauptkurs einsteigen konnte. Diesen habe ich noch locker geschafft und auch darüber. Dann steht in der Verfügung drin, dass die IV erwarte, dass ich nach der Umschulung wieder auf eigenen Beinen stehen kann und einen Job finde.
Genau dafür habe ich mich die ganze Ausbildung hindurch angestrengt, das Beste gegeben, was mir möglich war. Die Diplomnote von 5,4 erzählt von diesem Einsatz meinerseits und zeigt, dass ich nichts auf die leichte Schulter genommen habe.
Ich tat dies im Hinblick auf die, wie ich dachte, besseren Chancen, danach eine Stelle zu finden und auch in der Hoffnung, dass die IV diese Anstrengungen honoriert und mir hilft, bzw. evtl. noch den Sachbearbeiterkurs übernimmt.
Leider erfüllten sich diese Hoffnungen nicht, mehr noch, man bestraft mich mit dem Zuspruch einer Vollrente von „schönen“ 1400 Franken im Monat, weil man meiner Arbeitsfähigkeit keine Chance gibt und schlägt mich für einen geschützten Arbeitsplatz vor.

Dieser Entscheid, mich mit einer Vollrente zu „bedienen“, nach allem an sich Positiven, was ich geboten habe, kommt für mich einer Strafe gleich, bringt mich gewissermassen in ein Gefängnis, aus dem es kein Zurück mehr gibt. –

Ja so sprach ich zu ihr, so ruhig und langsam und bedacht wie noch möglich. Und eigentlich bin ich ein wenig stolz auf mich, dass ich das machen konnte, obwohl mir von allen Seiten geraten wurde, lieber still zu sein, als der IV auf den Schlips zu treten.

Sie sagte lange nichts mehr, schaute mich nur an.

Frau Lutz, die Ausbildungsbegleiterin wies auf Profil von Pro Infirmis hin, auf die Möglichkeit, mich dort beraten zu lassen. Darauf wollte die IV nicht eingehen, das brächte auch nichts und ausserdem sei diese Stelle ihres Wissens auch überlastet, dem pflichtete der RAV-Berater bei, sagte aber auch, dass er dort gerne noch mal anklopfe. Ausserdem liess er durchblicken, dass es evtl. die Möglichkeit gäbe, dass ein Klinkenputzer für mich aktiv würde und mir eine Stelle in einer kantonalen Verwaltung zum Zweck eines Arbeitseinsatzes besorgen könnte.

Dank dieser neuen Intervention und hinsichtlich des ausgesprochen positiven Feedbacks meines Chefs , bekundete Frau Schwarz schliesslich ein Einsehen, dass sie nun denke, vielleicht sei die Vollrente doch nicht der richtige Weg für mich und sie lasse darum bis zum Ablauf eines geplanten Arbeitseinsatzes in einer Verwaltung die Akte noch offen. So kann nun das RAV für mich einen sog. Klinkenputzer suchen (jemand, der einen guten Draht zu vielen Betrieben hat und mir de Türe dorthin öffnen kann), damit ich in einer Verwaltung des Kantons meine Arbeitsleistung unter Beweis stellen darf. Bis dahin verbleibe ich in der Praxisfirma.

Das ist also der vorläufige Stand, wie es jetzt aussieht und ich bin letztlich dankbar, dass die IV-Dame es sich anders überlegt hat und die lästige Akte zu meinen Gunsten noch ein wenig offen lässt.

Dennoch hat mich das Ganze sehr aufgewühlt, es ist noch nicht alles verdaut, was ich hören musste. Auch habe ich mich hier darauf beschränkt, nur das wirklich Wesentliche und meine Gefühle dazu mitzuteilen

Eigentlich wäre mein Fall bestimmt auch interessant für die Presse. Jetzt, wo man von so vielen IV-Betrügern liest. Aber davon sehe ich ab. Für mich ist eine Rente die schlechteste aller Möglichkeiten, weil ich durch das Geburtsgebrechen, mit dem ich schon ins Arbeitsleben eingestiegen bin, in der Pensionskasse einen Vorbehalt bekam und sie dadurch im Falle einer Invalidität keine Rente zahlt, wenn die Invalidität oder bei mir Teilinvalidität mit dieser Geburtsbehinderung zusammenhängt.

Ergänzungsleistungen stehen mir derzeit auch keine zu, weil ich noch ein bisschen Vermögen habe (keine Millionen, aber halt zuviel, als dass ein Anspruch auf EL gegeben wäre.

So bliebe mir pro Monat also die kleine Vollrente von 1400 Franken plus noch ca. 400 Franken von der Hilflosenentschädigung pro Monat. Nicht einmal 2000 Franken also.

Das ist wenig.

Auf die Frage an die IV-Frau, wie ich denn mit so einem kleinen Zustupf überhaupt ein einigermassen anständiges Leben führen soll, sagt sie nichts. Sie zuckt nur die Schultern und ist wohl froh, dass sie diese Frage nicht persönlich betrifft.

Ich indessen hoffe jetzt noch mehr als zuvor, dass sich eine andere Lösung findet und vielleicht auch endlich einmal ein normaler Arbeitgeber ja zu mir sagt.

Die IV fordert ja alle Arbeitgeber zur Integration behinderter Arbeitnehmer auf, nur sie selber macht gar nichts in diese Richtung und ich denke, solange nicht gerade diese Stelle endlich loslegt mit der Integration, sagen sich alle andern, wieso sollen dann wir?

Fakt ist, dass die Schweizer Stimmbürger JA gesagt haben zur Integration behinderter Arbeitskräfte im 1. Arbeitsmarkt. Wie ernst es vielen damit war, wage ich mehr und mehr zu bezweifeln, denn ich bekomme nur Absagen.
Ich weiss, dass das gerade auch ganz gesunden Leuten passiert, aber ich denke schon, dass auch die Beeinträchtigung eine Rolle spielt

Leider ist es auch hier so, dass Stimmzettelpapier alles annimmt, egal ob ernst gemeint oder nicht.

Dennoch gibt es eine Vielzahl sehbehinderter Menschen, die im 1. Arbeitsmarkt beschäftigt sind.

Sie sind meine Hoffnungsträger!

Liebe Grüsse an alle

Bea
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Beitrag von Joni » 21. September 2010, 22:01

Bravo Beatrice, dass Du den Mut hattest Deine Meinung so offen zu sagen. Ich hoffe, dass Du wirklich noch eine Arbeitsstelle findest. Ich verstehe das nämlich auch nicht. Ich kenne eine sehr sehbehinderte Frau, die bei unserem nächsten TCS-Büro arbeitet und so wie das aussieht arbeitet sie ganz normal, einfach mit einem speziellen Computer.

Ich wünsche Dir auf jeden Fall weiterhin viel Kraft und hoffentlich Erfolg!
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orphan
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Beitrag von orphan » 21. September 2010, 23:57

Hallo Beatrice

Ich finde auch, dass du das sehr gut gemacht hast und freue mich für dich, dass die Akte "offen" bleibt.

Auch finde ich, dass die IV ruhig Vorbild sein könnte / müsste und auch beeinträchtigte Menschen einstellen sollte.

In der Sonderschule, in der mein Sohn seit August ist, arbeiten auch behinderte Menschen. Am Empfang, im Büro, Küche etc.
Dort gibt es auch ein Wohnheim für behinderte Erwachsene und die helfen denen, die sie nicht einstellen können, weil es keine freien Stellen mehr gibt, eine Arbeitsstelle zu finden.

Vielleicht wäre das auch eine Möglichkeit für dich, dass du dich in Sonderschulen bewerbst?!? Überall dort, wo behinderte Menschen sind bzw. betreut werden, benötigt es meistens viel Personal.
Und dort ist man sicher positiver eingestellt auf "beeinträchtigte Arbeitnehmer" als in der "normalen" Arbeitswelt!

Einer meiner früheren Arbeitgeber hat mit einer Firma zusammen gearbeitet und die haben für uns immer diverse Arbeiten ausgeführt. Kopieraufträge, Dossier zusammen gestellt etc. Ich war oft da, um Unterlagen abzuholen. Dort arbeiteten sehr viele behinderte Menschen.
Es war eine sehr schöne Erfahrung mit all diesen Menschen zusammen zu arbeiten. Vielleicht gibt es so etwas ähnliches in deiner Umgebung?

Oder du machst dich selbstständig? Du weisst nun so viel über die Schwierigkeit, dass behinderte Menschen keine Stelle finden, dass du als Beraterin oder Jobvermittlerin tätig sein könntest.
... mmh, und wenn ich so weiter darüber nachdenke, gäbe es vielleicht sogar ein Stellenvermittlungsbüro, welches dich einstellt, damit du anderen beeinträchtigten Menschen helfen kannst, eine Stelle zu finden! Oder noch weiter gedacht ... könnte dich doch die IV einstellen, damit du hilfst, andere Menschen zu integrieren! Mach doch der Sachbearbeiterin, die gnädigerweise deine Akte offen lässt, diesen Vorschlag!

Naja, meine Vorschläge bringen dich wahrscheinlich nicht wirklich weiter. Ich finde es einfach nicht gerecht, dass es nicht selbstverständlich ist, dass du arbeiten darfst. Jeder, der will, sollte Arbeit bekommen können ...

... aber so ist unser "System". Alle sprechen von Integration aber keiner integriert ... dafür sind dann die anderen zuständig!

Auf jeden Fall wünsche ich dir viel, viel Erfolg auf der Suche nach einer Stelle und hoffe für dich, dass du etwas findest.

Es Grüessli
orphan
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Beitrag von chrigi » 22. September 2010, 10:48

Sali Bea,

Ich ziehe meinen Hut vor Dir und ich gratuliere Dir zu dieser zwar noch nicht ganz aber doch einigermassen positiven Entwicklung Deiner Arbeitskarriere.

Mal eine ganz andere Frage; Stellenmässig bist Du da fixiert auch die Umgebung von St. Gallen oder bist Du nicht Ortsgebunden?

Weiterhin viel Kraft und Glück bei Deinen Unternehmungen.

Lg Chrigi
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Beitrag von Beatrice » 23. September 2010, 22:19

Hoi zäme

Danke vielmals für die bestärkenden Worte und die Ideen.

Die IV St.Gallen habe ich schon nach einer Stelle gefragt und mich auch mal beworben. Es kam eine Absage. Leider ist es auch so, dass die IV in vielen Kantonen ein Computerprogramm hat, das absolut sehbehindertenfeindlich ist. Auf ihrem Bildschirm haben die immer 5 Fenster offen und müssen sie offen haben um übergreifend zu arbeiten. Wenn ich 5 Fenster habe, sehe ich in keinem mehr was. Und wenn ich die Vergrösserung drauf habe, sehe ich nicht mehr alle Fenster, sondern nur noch das mittlere schön scharf.
Das hin und her scrollen würde dann zuviel Zeit und auch Nerven kosten.

Wobei ich manchmal denke, bei der Nichteffizienz, welche die IV-Stellen an den Tag legen, wenn es z.B. um Genehmigungen geht, könnte ich dort locker mithalten mit meinem Tempo - Vergrösserung inklusive. :wink: :?

@Chrigi
Momentan bin ich leider schon noch ortsgebunden. Wobei das ortsgebunden ziemlich weit gesteckt ist. Ich habe mich schon bis nach Bern beworben. Ich muss einfach am Morgen hinkommen auf die Zeit und abends wieder heim. Mit dem ÖV halt, denn das "Autofahren für Blinde" hat mir zwar 2 Tage Autoerfahrung ermöglicht, aber den Führerschein kann ich trotzdem nicht machen. Das wäre auch definitiv nicht ideal für mich.
Als GA-Besitzerin kann ich, optimistisch gesehen, sogar von einer weiteren Arbeitsweg profitieren.
Aber generell ist bekannt, dass die Arbeitgeber jenen den Vorzug geben, die näher wohnen.

Vorerst bin ich ja bei Bears (Praxisfirma der Klubschule Migros) an einem guten Ort und kann Erfahrungen sammeln, die nicht für die Füchse sind.

Ich werde weiter berichten, wenn sich was tut und bin immer offen, wenn jemand von Euch eine Idee hat

Liebe Grüsse an alle

Bea
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Beitrag von Beatrice » 28. November 2010, 22:27

Hoi zäme

Hiermit melde ich mich ab bis am 2.oder 3. Dezember. Ich fahre nach Freiburg im Breisgau an die Übungsfirmenmesse. Wir "verkaufen" Munz und Maestrani-Schokolade und machen kräftig Werbung für die feine Schoggi aus der Ostschweiz. Prügeli und Schoggi-Banäänli inklusive.

Die Übungsfirmen-Messe hat sogar eine eigene Homepage. Wer mal schauen will, ist es hier:
http://www.uebungsfirmenmesse2019.de/ (vorab gesetzter Link ist ungültig geworden, Nachtrag Bea am 20.8.19)

Allen eine gute Woche wünscht

Bea
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Re: Beatrice - sehbehinderte Leseratte/ eigene Texte

Beitrag von Beatrice » 28. Februar 2011, 23:25

Juhui, Arbeitslosigkeit adieu!

Hoi zäme

Dass ich diese Nachricht einmal geben könnte, daran habe ich selber schon fast nicht mehr geglaubt, nach allem, was sich in den letzten Monaten an Absagen angesammelt hat. Und dies trotz sehr gutem Zeugnis der Geschäftsleitung der Bears Trading AG.
Im Dezember 2010 segelte die erste RAV-Stellenzuweisung in mein E-Mail-Postfach. Zuerst freute ich mich, aber nur, bis ich las, wo ich mich bewerben sollte. In der Dreischiibe St.Gallen an einem Geschützten Arbeitsplatz. Neeeeeiiiiin, nur das nicht, dachte ich. Die Dreischiibe ist eine Einrichtung für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung. Ich aber bin sehbehindert, nur das und bereits das ist mit vielen Vorurteilen besetzt, wenn es um die Stellensuche geht. Ich sah nicht ein, warum ich mich dort bewerben sollte, involvierte und argumentierte bei meinem sonst so verständnisvollen RAV-Berater. Aber diesmal hatte er kein Gehör. Ich weiss, er stand auch unter Druck, schliesslich ist er dafür eingestellt, die Leute unterzubringen. Aber ich fühlte mich regelrecht abgeschoben. Ich musste die Bewerbung machen und weil der Berater bereits mit der Stellenleiterin gesprochen hatte und ein gutes Wort für mich eingelegt hatte, standen meine Chancen gut, zu gut für mein Selbstwertgefühl. Ich wollte da einfach nicht hin, wollte die Dreischiibe nicht im Lebenslauf stehen haben, denn jeder verbindet damit das Vorhandensein einer psychischen Störung oder Ex-Drogensucht (beides trifft auf mich nicht zu), doch wer glaubt mir das, wenn ich einst dort untergekommen bin. Gegenüber psychisch kranken Menschen haben die Arbeitgeber erst recht Vorurteile. Ich hatte das Gefühl, wenn ich dort anfange, bin ich definitiv im Abseits und werde nie mehr irgendwo für voll genommen. Trotzdem musste ich mich bewerben am 16. Dezember 2010 und die darauffolgenden 2 Wochen bin ich psychisch vor lauter Angst vor dieser Zukunft wirklich fast an den Anschlag gekommen.

Die ganze Weihnachtszeit war dadurch überschattet und am 31. Dezember beschloss ich, das Unerlaubte zu tun. Ich schrieb mir selber eine Absage und sandte sie an die Dreischiibe. Ich nahm Einstelltage und ein riesiges Donnerwetter vom RAV-Berater in Kauf und sagte ab, damit ich einigermassen unbelastet ins neue Jahr rutschen konnte.

Es gab vom RAV-Berater zwar kein Donnerwetter aber eiskaltes Schweigen und Null-Verständnis. Bis heute kann er meinen Entscheid gegen die geschützte Dreischiibe nicht verstehen. Nun ich denke, wichtig ist, dass ich mich verstehe und viele Freunde verstehen es auch und sagten mir auch, dass ich dort gewiss nicht hingehöre.

Die Wende in diesem desolaten Arbeitsstellen-Suchen, das nur Absagen ergab, sogar von der Zürcher Sehhilfe, der Caritas Aktion für Blinde (CAB) und dem OBV, kam mit einem Anruf einer ehemaligen Schulkollegin der Sehbehindertenhilfe in Basel. Sie arbeitet im SZB St. Gallen und hatte mitbekommen, dass eine Optikfirma einen Arbeitsplatz an eine sehbehinderte Person vergeben möchte. Sie inserierten die Stelle nicht, sondern baten den SZB, die Stelle intern an geeignete Personen weiterzuleiten.
Meine Kollegin also dachte da an mich und gab mir die Daten durch. Und ich bewarb mich umgehend.
Anfangs Januar 2011 kam der Anruf mit der Empfangsbestätigung und dann durfte ich mich am 3. Februar vorstellen gehen. Es war so toll, die Leute offen und natürlich - einfach lässig.

Und dann kam der 23. Februar 2011, auf den Tag genau ein Jahr später als jenes Datum, an welchem mir die IV eine deutliche Absage für jegliche berufliche Eingliederung erteilt hatte (siehe weiter oben). Da konnte ich schnuppern gehen, den Betrieb und die Mitarbeiter kennenlernen. Ich fühlte mich dort so wohl, spürte Offenheit und Wertschätzung und hatte ein unendlich gutes Gefühl.

Jaa, und heute abend, kurz vor 18.00h habe ich es erfahren: Ich bin gewählt. Ich bekomme die Stelle im Verkaufsinnendienst der grossen Optik-Firma in St.Gallen. Das ist der Supertreffer- es stimmt einfach alles und ich freue mich wie schon lange nicht mehr. Endlich macht sich das Gespenst Vollrente und Geschützte Werkstatt aus dem Staub, dieses Gespenst, das mich schwer belastete.

Ich danke Euch allen, die Daumen gedrückt oder ein Kerzchen für mich angezündet haben, schon im Vorfeld, einfach aus Wohlwollen. Ich bin sicher, das hat mitgeholfen.

Ganz liebe Grüsse an alle

Bea
Zuletzt geändert von Beatrice am 4. April 2015, 21:04, insgesamt 2-mal geändert.
Denise
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GRATULATION

Beitrag von Denise » 2. März 2011, 08:57

LIEBE BEATRICE

TOLL!!!! DAS SIND JA MAL SUPER NEUIGKEITEN. ICH FREUE MICH SO FÜR DICH. DU HAST ES DIR AUCH MEHR ALS VERDIENT!!!

ICH DRÜCK DIR SCHON JETZT DIE DAUMEN FÜR DEIN WIEDEREINSTIEG IM BERUFSLEBEN. ABER SO MOTIVIERT WIE DU BIST, KANN JA DA NICHTS SCHIEFGEHEN.

ALLES GUTE - DENISE
Flavia
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Re: Beatrice - sehbehinderte Leseratte/ eigene Texte

Beitrag von Flavia » 2. März 2011, 19:41

Wir haben ja bereits gemailt, aber auch ich freue mich noch auf diesem weg für dich :-) !

GLG Flavia
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